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Den Tod im Griffl - Numbers 3

Den Tod im Griffl - Numbers 3

Titel: Den Tod im Griffl - Numbers 3
Autoren: Rachel Ward
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Wort gehört hat. Sie sagt nichts. Das muss sie auch gar nicht. Sie hat Hunger, wir alle haben Hunger. Bei dem Gedanken an eine richtige Mahlzeit läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Aber ich weiß, was der Preis dafür sein wird – das ganze Getue, das Schulterklopfen, die Fragen.
    Ich ertrage es nicht, wenn mich die Leute anschauen, genauso wenig ertrage ich es, sie anzuschauen, ihre Zahlen zu sehen …
    Wo immer ich bin, jeder hat eine Zahl – die Zahl, die den Tag seines Todes verrät. Ich hasse es, dass ich die Zahlen sehe. Ich hasse die Gefühle, die damit einhergehen. Manchmal möchte ich ein brennendes Stück Holz aus dem Feuer schnappen und es mir in die Augen stechen, damit ich sie nicht mehr sehen muss. Das Leiden, den Schmerz nicht mehr fühle, der jeden Einzelnen erwartet, dem ich begegne. Ich bin von Brandnarben übersät, zweimal hat mich das Feuer beinahe getötet, aber vielleicht könnte es mir ja das nehmen, was mich am meisten schmerzt.
    Das Einzige, was mich dran hindert, ist Sarah. Ich kann ihr das nicht antun. Es ist schon so schwer genug für sie, so launisch und rastlos, wie ich bin. Ich kann nicht von ihr erwarten, dass sie bei mir bleibt, wenn ich auch noch blind wär.
    Schließlich schaut sie mich mit ihren blauen Augen direkt an und ihre Zahl spricht zu mir, schenkt mir Trost und Wärme wie immer – ein Ende voller Liebe und Licht. 25072076. Das Versprechen, dass wir noch zusammen sein werden, sie und ich, in knapp fünfzig Jahren, wenn sie aus dem Leben tritt, ganz leicht, als ob sie in ein warmes Bad glitte.
    Sarah.
    Ich drehe mich wieder zu dem Fremden um, der neben mir kauert, und zwinge mich, ihm zuzunicken und zu lächeln.
    »Wir werden kommen. Danke«, sage ich. Die Worte klingen nicht wie meine.
    Sein Gesicht hellt sich auf. »Großartig. Cool. Komm rüber, wann immer du willst. Wir sind unter dem Bogen, der am weitesten vom Weg entfernt steht.« Er zeigt auf ein tunnelförmiges Zelt, das zwischen drei Baumstämmen aufgeschlagen wurde. »Ich heiße übrigens Daniel. Schön, dich kennenzulernen, Adam. Ich habe so lange darauf gewartet.« Als er fortgeht, höre ich, wie er ruft: »Carrie, er ist hier. Er ist wirklich hier …«
    In mir steigt die Angst hoch. Es war ein Fehler, Ja zu sagen. Ich bereue es schon. Ich hebe den Arm und schlage mit dem Stein so fest auf den Haken ein, dass sich der ganze Hering verbiegt und ich mir die Knöchel am Boden aufschramme.
    »Autsch! Sch… puh!« Ich versuche nicht vor den Kindern zu fluchen. Was manchmal verdammt schwer ist. Ich lasse den Stein fallen, reibe mir den gröbsten Dreck von den Fingern, stecke sie in den Mund und sauge heftig, um den Schmerz zu lindern. Es hilft nicht. Und es nimmt mir weder die Angst noch die Wut. Nichts hilft dagegen.
    Sarah kommt näher. »Danke«, sagt sie.
    Ich zucke die Schultern und sauge weiter an den Knöcheln. Ich bin froh, dass ich etwas im Mund habe. Es hindert mich daran, zu sagen, was ich sagen möchte. Ich will nicht unter Menschen sein, Sarah. Sie sind alle gleich. Ich ertrage das nicht.
    »Hat wehgetan, was?«, sagt sie.
    Ich nehme die Hand aus dem Mund und untersuche sie.
    »Geht schon. Hab mir nur die Haut aufgeschürft.«
    Sie wühlt in einer ihrer Taschen auf dem Karren und zieht eine Tube mit Desinfektionssalbe heraus. Das Ende der Tube ist ganz fest eingerollt, um auch das letzte bisschen herauszuquetschen. Viel ist nicht mehr drin.
    »Vergeude sie nicht für mich.«
    »Psst.«
    Sie drückt ein winziges Stück Salbe auf ihre Fingerkuppe und streicht sie auf die Schrammen, dann reibt sie sie vorsichtig ein. Es ist so innig – ihre leichte Berührung der Haut mit den Fingerspitzen, so, dass nur einige Zellen Kontakt haben. Ich spüre, wie sich mein Körper entspannt, die Wut abebbt.
    Sarah und ich. Das ist alles, was ich je wollte. Trotz allem, was wir durchgemacht haben – das Erdbeben, das ganze Chaos, das Feuer, das Zigeunerleben, das Sichkümmern um Mia und Marty und Luke –, wir sind noch immer zusammen. Ich starre auf ihren Finger. Und in diesem Moment würde ich alles geben, damit der Rest der Welt um uns herum verschwände. Ich möchte mit ihr allein sein, die Arme um sie legen und unsere Gesichter ganz dicht beieinander.
    Ich halte ihre Hände in meinen. »Sarah, lass uns verschwinden«, flehe ich. »Lass uns woanders hingehen.« Ich hasse mich dafür, dass ich so verzweifelt klinge.
    Sie presst ihre Lippen zusammen und zieht die Hände weg. Der Moment ist
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