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Den Oridongo hinauf (German Edition)

Den Oridongo hinauf (German Edition)

Titel: Den Oridongo hinauf (German Edition)
Autoren: Ingvar Ambjørnsen
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großer Selbstverständlichkeit, es fiel mir leicht, den Hut zu tragen, jetzt, da ich in eine ganz neue Phase meines Lebens eintreten würde, ich ging durch Trondheim mit dem Hut auf dem Kopf und dem Koffer in der Hand, und ich fühlte mich wie ein ganz anderer als der, der ich bisher im Laufe meiner fast fünfzig Jahre auf Erden gewesen war, ich war ein anderer, und mein alter Name lag hinter mir wie ein geprügelter Hund mit gebrochenem Rücken. Da ging ich also und dachte, dass es Mut verlangt, in dieser unserer Zeit einen Hut zu tragen, in einer Zeit, in der der Hut dem Exzentriker vorbehalten ist, dem Künstler, nicht wie früher auf der Welt, als jeder Mann sich bei der Konfirmation den Hut auf den Kopf setzte und die Pfeife in den Mund steckte, Arbeiter und Fischer, Lehrling und Hofknecht – jetzt verlangte es Mut und geraden Rücken, einen Hut zu tragen, und diesen Mut und diesen geraden Rücken besaß ich, obwohl ich weder Künstler noch Exzentriker war, eher ein ziemlich normaler Mann aus dem Volke. Und ich trug den Hut im Bus und später auf der Fähre, und da es ein fast windstiller Tag Ende April war, trug ich den Hut auch, als ich an Land ging, ich traf auf Vaksøy mit einem Hut und einem leichten Koffer ein, ja, sogar mit der Jacke über der Schulter, den Zeigefinger durch den Aufhänger, und voller Übermut beschloss ich, den Bus Bus sein zu lassen und lieber am Meer entlang zu dem Haus zu spazieren, das ich so oft auf den Fotos betrachtet hatte, die sie mir geschickt hatte, das weiße Haus, das da draußen in Viken lag, auf der Mitte zwischen Laugen und Vingan, Berits Heim, wo sie, wenn nicht ihr ganzes Leben, so doch den größten Teil ihres Lebens verbracht hatte, ein Haus, von dem ich im tiefsten Herzen wohl hoffte, dass es auch mein Zuhause werden könnte, ach ja, das waren meine Hoffnung und mein Gebet! Und alles war doch so schön! Die Inseln. Das Meer. Der gelbbraune Strand und die fast schwarzen Felsen. Der windgebeutelte Wald…
    Jetzt richte ich mich auf und gebe dem Moped einen Klaps, während ich höre, wie mir ein kleines dumpfes Lachen entweicht, ich stehe plötzlich auf dem Hofplatz vor dem Holländerhaus und lache, denn es ist genau so, als sähe ich meine eigene kleine Gestalt von damals aus der Vogelperspektive, sähe mich selbst mit dem Blick einer Möwe, wie ich am Strand entlangstolpere, in Stadtkleidung und Halbschuhen durch den feuchten Sand, und dann kommt natürlich der Wind, er hatte nur eine Stunde Pause gemacht, jetzt kommt er angefegt, wie es so seine Art ist, und weg mit dem Hut und her mit der Jacke – aber so oft ich mir auch die Karte der Insel angesehen habe, so habe ich die Entfernungen hier draußen doch niemals ganz begreifen können, es scheint so einfach zu sein, vom Fähranleger in Laugen zum Haus in Viken hinauszuspazieren, und es mag ja für einen Einheimischen mit der richtigen Fußbekleidung auch einfach sein, aber ich selbst muss feststellen, dass die Haut an meiner linken Ferse einreißt und dass mein rechter großer Zeh besonders groß und ganz und gar fremd wirkt, und dann kommt es, wie es kommen muss, und der Wind jagt einen Hagelschauer zum Land hin, und es gibt keinen Unterschlupf, nicht einmal ein Bootshaus oder eine Bude, nur diesen Ziegenpfad, der nicht einmal auf den Wald zuführt.
    Und darüber haben wir gemeinsam so oft gelacht.
    Wie jetzt, da ich hier stehe und ganz allein vor dem Holländerhaus über dieses nämliche Ereignis schmunzele.
    Mein eigenes Eintreffen.
    Das ich mir in etlichen wachen Nächten so vorgestellt hatte: Bei schlechtem Wetter – der Bus wartet am Fähranleger, steht mit laufendem Motor da, ich steige ein, zusammen mit all denen, die einander kennen, all denen, die bei meinem Anblick sich und den anderen Fragen in Bezug auf meine Erscheinung stellen werden, Fragen, die im Grunde wohl schon während der Überfahrt von Binnøya gestellt und bearbeitet worden sind, hier sitzt ein Fremder mit Hut und Koffer, SMSe und Telefongespräche von der Fähre nach Vaksøy durch den Kosmos, aber ich weiß doch, im tiefsten Herzen bin ich mir darüber im Klaren, dass alle mehr als nur eine vage Ahnung haben, wer ich bin, dass hier Berits Freund aus der Stadt seinen Einzug hält, so sieht er also aus, der Mann, über den sie zweifellos gesprochen hat, kahlköpfig und mit Hut, und mit unzweckmäßiger Stadtkleidung und nur einem leichten Koffer. So zu sitzen, mit einem freundlichen Lächeln für jede und jeden, während die Landschaft
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