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Den Oridongo hinauf (German Edition)

Den Oridongo hinauf (German Edition)

Titel: Den Oridongo hinauf (German Edition)
Autoren: Ingvar Ambjørnsen
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tagsüber.
    Ich bin es, der tagsüber schläft.
    Sie hat mich durch die Wohnzimmerdecke schnarchen hören.
    Ob ich geträumt habe?
    Offenbar habe ich auch ein wenig gewimmert.
    Darauf antworte ich weniger als nichts. Ich gehe in die Küche und gebe Kaffee in die Kanne. Vier Maße. Nicht mehr und nicht weniger.
    Ich kann hören, wie sie aufsteht und durch das Wohnzimmer geht. Ein wenig später, wie sie sich am CD-Gerät zu schaffen macht, ehe sich Miles Davis’ »In a Silent Way« weich über das Zimmer legt.
    Dann sitzen wir im Halbdunkel mit unseren Kaffeetassen da und lauschen dieser Musik, die es noch vor wenigen Jahren in meiner Welt nicht gegeben hat, diesen fremdartigen Tonfolgen, und den Musikern, die sie in mein Leben eingebracht hat, Miles Davis, Wayne Shorter, Herbie Hancock und die vielen anderen, und als das Stück Kringel verzehrt ist, schiebe ich mir einen Priem ein, eine Prise, sie liegt salzig und scharf unter meiner Oberlippe.
    Wir reden nicht viel. Wir haben einander schon so viel gesagt. Außerdem hat sie nach dem, was geschehen ist, eine Art Schüchternheit entwickelt, sie hat sich ein behutsames Nuscheln zugelegt, das S ist ein wenig unklar, es spielt ein bisschen mit C und H, und es ist wohl auch so, dass die Zeit der langen verwickelten Sätze unwiderruflich vorüber ist. Das macht ihr natürlich zu schaffen, und bisher hat sie kein besonderes Interesse an den von mir entwickelten Ausspracheübungen an den Tag gelegt – Sara Selmers siebter Einsatz als serbische Sachensucherin –, aber jetzt ist es nun einmal so, dass Gott der Herr dafür gesorgt hat, dass sie mich hat und ich sie. Das ist groß, und deshalb gibt es nicht sehr viel darüber zu sagen. Alles liegt ein wenig jenseits der Worte.
    So zu sitzen. Mit Lutschtabak und Kaffee. In einem Zimmer mit einer Frau. Zum Gott weiß wievielten Mal geht mir auf, wie gemütlich dieses Wohnzimmer ist, vor allem um diese Tageszeit, und nachts, ja, die ganze Zeit, bis im Osten das erste Tageslicht zu sehen ist. In all diesen Stunden, vom Nachmittag bis zum Morgengrauen, ist dieses Zimmer das Herz des Hauses. Ja, so denke ich. Dass das Wohnzimmer das Herz des Hauses ist. Tagsüber sitze ich in der Küche, vom Frühstück an und in jedem müßigen Augenblick. Sitze da mit Ziegenkäse und Kaffee oder nur mit Kaffee, sitze da zusammen mit ihr oder allein, trinke Kaffee und schaue hinaus auf die Straße, so wie Tausende andere Menschen in diesem langgestreckten Land ebenfalls am Küchentisch sitzen und auf die Straße hinausschauen, den Nachbarn vorüberradeln sehen, mit dem Auto vorbeifahren, vorbeigehen, so wie sie vertraute Autos und fremde Autos bei jeder Art Wetter sehen, sommers wie winters fahren die vorbei, von links nach rechts, oder von rechts nach links, und wenn man einen anderen Menschen hat, kann man darüber reden, über die Bewegungen, die sich draußen vor dem Küchenfenster abspielen, während der, der allein ist, alles in sich versinken lassen muss, ich kenne mich aus mit diesen beiden unterschiedlichen Zuständen. Und nach dem Essen kommen die warme Dunkelheit des Wohnzimmers und das Meer, das sich in die Unendlichkeit erstreckt, das Rauschen des Strandes und die Schreie der Seevögel, und hier sitze ich und lasse alles auf mich einwirken, nicht die Schreie der Seevögel, die schweigen jetzt in der Dunkelheit, aber die Wellen, die gegen das Ufer schlagen, und das Knistern im alten Holzofen, nachdem Miles für diesmal Feierabend gemacht hat. Ja. Das Herz des Hauses. Das Bücherregal. Eine ganze Wand, bedeckt von Buchrücken. Abgegriffene Bücher und neuere Bücher. Die Seekiste unter dem Fenster, mit den Tischdecken, die Berit in den langen Wintermonaten bestickt hat, Jahr um Jahr. Der Diwan hinten beim Ofen, und das Holz, das ich selbst ins Haus getragen habe. Wenn ich auf dem Diwan liege, ich hätte fast gesagt: Wenn der Kater mir gestattet, mich auf den Diwan zu legen, dann riecht es nach warmem Holz und ein wenig schimmelig von dem dicken Wandbehang. Es ist ein gewebter Wandbehang, ein Bild, das einen röhrenden Hirsch zeigt, dazu zwei kleine Hirschdamen, die ihn unter einer alten Eiche fragend mustern. Gemälde. Bäume. Blumen. Fjord und Inseln. Der Leuchtturm von Skarven. Sie hat sie selbst gemalt. Sie ist sehr begabt, aber nicht als Malerin, und diese Unbeholfenheit in Öl auf Leinwand gibt mir ein Gefühl, das an Mitleid erinnert, das aber etwas ganz anderes ist, ich weiß nicht so recht, was.
    Der Kater steht in der
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