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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst
Autoren: Mari Jungstedt
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Meer ihren Schrei aus. Helena beschloss, etwas am Strand entlangzugehen, trotz der schlechten Sicht. Wenn ich einfach am Wasser bleibe, dann kann ja wohl nichts passieren, dachte sie.
    Ihre Kopfschmerzen ließen langsam nach, und sie versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen.
    Das Frühjahr war für sie und Per arbeitsreich und anstrengend gewesen, und sie hatten ein wenig Zeit füreinander gebraucht.
    Aber nach dem Fiasko des vergangenen Abends wusste sie nicht mehr weiter.
    Sie glaubte trotz allem, dass Per der Mann war, mit dem sie zusammenleben wollte. Sie war sich sicher, dass er sie liebte. Im kommenden Monat wurde sie fünfunddreißig, und sie wusste, dass er eine Antwort erwartete. Eine Entscheidung. Er wollte schon lange heiraten, und er wollte ein Kind mit ihr. Wenn sie in letzter Zeit miteinander geschlafen hatten, hatte er hinterher oft gesagt, er wünschte, sie würden nicht verhüten und er hätte sie schwängern können. Und jedes Mal hatte ihr das die Stimmung verdorben.
    Gleichzeitig hatte sie sich noch nie so geborgen gefühlt, so geliebt. Mehr konnte man vermutlich nicht verlangen, und vielleicht war die Zeit reif für eine Entscheidung. Ihre früheren Liebschaften waren erfolglos geblieben. Sie hatte niemals richtig geliebt und wusste auch nicht, ob sie das jetzt wirklich tat. Vielleicht war sie dazu einfach nicht in der Lage.
    Der Hund bellte und riss sie aus ihren Gedanken. Sein Bellen klang wie ein Jagdsignal. Vielleicht hatte er die Spur eines Kaninchens gefunden, von denen es auf Gotland nur so wimmelte.
    »Spencer! Komm her!«, befahl sie.
    Brav kam der Hund angelaufen und beschnupperte dabei den Boden. Helena ging in die Hocke und streichelte ihn. Sie versuchte, auf das Meer hinauszuschauen, aber sie konnte Himmel und Wasser kaum unterscheiden. An klaren Tagen waren von hier aus die Felsen auf den Inseln Stora und Lilla Karlsö zu sehen.
    Helena fröstelte. Auf Gotland war der Frühling zwar immer recht kühl, aber dass sich die Kälte bis in den Juni hielt, war doch ungewöhnlich. Die feuchtkalte Luft durchdrang alle Stoffschichten. Sie trug ein T-Shirt, ein Sweatshirt und eine Strickjacke, aber sie fror trotzdem. Sie erhob sich, zog ihre Jacke fester zusammen und machte sich auf den Rückweg. Hoffentlich ist Per schon wach, damit wir reden können, dachte sie.
    Langsam fühlte sie sich besser, und in ihr wuchs die Zuversicht, dass vielleicht doch noch nicht alles zerstört war. Später könnte sie die Freunde anrufen, und bald würde alles vergessen sein. Pers Eifersucht hatte sich doch schon gebessert. Und schließlich war sie diejenige, die zuerst gekratzt und geschlagen hatte.
    Als sie den Anfang des Strandes wieder erreichte, war der Nebel noch dichter geworden. Weiß, weiß, weiß. Wohin sie sich auch drehte. Ihr fiel auf, dass sie Spencer schon lange nicht mehr gehört hatte. Das Einzige, was sie deutlich erkennen konnte, waren ihre halb im Sand versunkenen Turnschuhe. Sie rief einige Male. Wartete. Er kam nicht. Seltsam.
    Sie ging einige Schritte zurück und versuchte angestrengt, etwas durch die Nebeldecke zu sehen.
    »Spencer! Komm her!«
    Keine Reaktion. Verdammter Hund. Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich.
    Etwas stimmte hier nicht. Sie blieb stehen und horchte, hörte aber nur das Schwappen der Wellen. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.
    Plötzlich zerriss ein kurzes, scharfes Bellen die Stille. Es folgte ein Knurren, das gleich wieder verstummte. Das war Spencer.
    Was war da los?
    Sie blieb regungslos stehen und versuchte, die Panik zu unterdrücken, die sich in ihr breit machte. Der undurchdringliche Nebel umschloss sie. Sie kam sich vor wie in einem Vakuum und schrie:
    »Spencer! Hierher!«
    Dann spürte sie hinter sich eine Bewegung und begriff, dass irgendwer ganz in ihrer Nähe stand. Langsam drehte sie sich um.
    »Ist da jemand?«, fragte sie.
     

 
     
     
     
    In der Redaktion der Regionalnachrichten des großen, angesehenen Fernsehsenders herrschte eine müde Stimmung. Die Morgenbesprechung war überstanden.
    Hier und da saßen Reporter mit ihren Kaffeetassen. Einer telefonierte, eine starrte ihren Computer an, zwei steckten die Köpfe zusammen und waren in ein leises Gespräch vertieft. Der eine oder andere Kameramann blätterte lustlos in den Zeitungen vom Vorabend.
    Überall Papierstapel, herumliegende Zeitungen, halb leere Kaffeetassen, Telefone, Computer, Faxe, Ordner und Mappen.
    Am Produktionstisch, dem Mittelpunkt der Redaktion, saß an diesem
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