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Demokratie! - wofür wir kämpfen

Demokratie! - wofür wir kämpfen

Titel: Demokratie! - wofür wir kämpfen
Autoren: Campus
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sind und nicht streiken, weil wir andernfalls riskieren, unsere Arbeit zu verlieren und unsere Schulden nicht bezahlen zu können.
    Angst ist der Hauptgrund, warum die Verwahrten in diesem Überwachungssystem ihre Doppelrolle als Beobachter und Beobachtete akzeptieren und warum so viele Menschen ihrer Freiheit beraubt werden. Die Verwahrten leben in Angst vor Strafen und Bedrohungen von außen. Die Furcht vor den Herrschendenund ihren Polizeikräften ist ein Faktor, aber noch wichtiger und wirkungsvoller ist die Furcht vor gefährlichen Fremden und unbekannten Bedrohungen – eine allgemeine gesellschaftliche Angst. In mancherlei Hinsicht haben die Gefängnisinsassen weniger zu fürchten – so real die Bedrohung durch den Gefängnisapparat, die Wärter und Mithäftlinge ist, so begrenzt und bekannt ist sie. Die Furcht im Überwachungsstaat ist dagegen eine leere Bühne, auf der alle möglichen furchterregenden Fratzen auftauchen können.
    Thomas Jefferson ließ sich in einem seiner unrühmlichsten und feigsten Momente durch Angst hinreißen, nicht nur im neu gegründeten Bundesstaat Missouri die Sklaverei zuzulassen, sondern sich auch für die Beibehaltung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten auszusprechen. »Wir haben den Wolf bei den Ohren gepackt«, schrieb er 1820 in einem Brief. »Wir können ihn weder festhalten noch können wir ihn laufen lassen. Auf der einen Seite steht die Gerechtigkeit, auf der anderen unsere Sicherheit.« Nach Generationen der Sklaverei habe sich eine Wut angestaut, die die weiße Gesellschaft zerstören würde, so Jefferson. Die Sklaverei sei zwar ein großes Unrecht, doch sie müsse beibehalten werden, um die Bestie im Zaum zu halten. Die heutigen Überwachungsgesellschaften funktionieren nach derselben feigen Logik, mit dem Unterschied, dass die Wölfe bereits unter uns sind und als ständige Drohung im Dunkeln lauern. Mit den Gespenstern der allgemeinen Furcht lässt sich alles mögliche Unrecht rechtfertigen.
Die Vertretenen
    Immer wieder erzählt man uns, wir befänden uns auf dem langen historischen Weg von der Tyrannei zur Demokratie. In einigen Ländern würden die Menschen noch von totalitären oder despotischen Regimes unterdrückt, so heißt es, doch die repräsentative Regierungsform, die sich als demokratisch und kapitalistisch beschreibt, sei überall auf dem Vormarsch. Das allgemeine Wahlrecht werde in aller Welt geschätzt und ausgeübt, auch wenn es hier und da noch an der Umsetzung hapere. Die globale Marktwirtschaft stehe für das Prinzip der repräsentativen Demokratie, um alle Teile der Bevölkerung einzubeziehen, erzählt man uns. Trotzdem lehnen es viele Angehörige der Protestbewegungen des Jahres 2011 ab, sich von irgendjemandem repräsentieren zu lassen, und für die parlamentarische Demokratie haben sie nichts als beißende Kritik übrig. Wie kommen sie dazu, diese wunderbare Gabe der Moderne zu verschmähen? Wollen sie etwa einen Rückfall in finstere Zeiten der Tyrannei ohne jede demokratische Beteiligung? Natürlich nicht, im Gegenteil. Um ihre Kritik zu verstehen, müssen wir jedoch erkennen, dass der Begriff der »repräsentativen Demokratie« ein Widerspruch in sich ist und das Prinzip der Volksvertretung eine echte Demokratie nicht ermöglicht, sondern verhindert. Und wir müssen erkennen, dass »die Vertretenen« alle anderen der hier beschriebenen verkümmerten Rollen – die Verschuldeten, die Vernetzten und die Verwahrten – in sich vereinen und die Summe ihrer Unterdrückung verkörpern.
    Erstens verhindert die Macht der Finanzindustrie und der Reichen, dass sich Menschen zusammenschließen und Organisationen gründen, mit denen sie einen Wahlkampf führen undvor allem bezahlen könnten. Heute sind nur noch die Superreichen in der Lage, mit eigenen Mitteln in die Politik zu gehen, die anderen müssen korrumpieren und sich korrumpieren lassen. Und wenn die sogenannten Volksvetreter erst einmal gewählt wurden, bereichern sie sich weiter.
    Zweitens stellt sich die Frage, welche Wahrheiten sich überhaupt formulieren und verbreiten lassen, solange man keine Kontrolle über die allmächtigen Medien hat. Lobbyisten und kapitalistisch finanzierte Werbekampagnen sind ein besonders effektives Instrument, um der herrschenden politischen Klasse den Machterhalt zu sichern. Unabhängige soziale Bewegungen und Bündnisse werden dagegen von den Medien wirkungsvoll kontrolliert und unterdrückt. Das heißt, die dominanten Medien verhindern neue Formen der
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