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Demokratie! - wofür wir kämpfen

Demokratie! - wofür wir kämpfen

Titel: Demokratie! - wofür wir kämpfen
Autoren: Campus
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demokratischen Beteiligung.
    Und drittens werden die Ängste der Verwahrten durch die reißerischen Geschichten und die Panikmache der Medien weiter geschürt. Wer die Abendnachrichten einschaltet, muss Angst bekommen, auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen: Berichte von Kindern, die im Supermarkt entführt werden, wechseln sich mit Nachrichten von vereitelten Terroranschlägen und Horrorgeschichten von Serienmördern in der Nachbarschaft ab. Statt soziale Beziehungen zu pflegen, leben wir verschüchtert und vereinsamt. Homo homini lupus : Unsere Mitmenschen erscheinen uns als reißende Wölfe. Überall lauert die Sünde, der Fanatismus präpariert seine Sündenböcke, und die Gewalt führt Pogrome gegen Minderheiten und Abweichler durch. Über den Prozess der Repräsentation kippt die Politik diesen Müll über den Köpfen der Vertretenen aus.
    In der modernen bürgerlichen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts standen den Bürgern genau wie den Ausgebeuteten undEntfremdeten (also auch der kontrollierten Arbeiterklasse) in den staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen noch gewisse Möglichkeiten des politischen Handelns offen. Die Mitgliedschaft in Gewerkschaften, politischen Parteien oder Verbänden eröffnete in begrenztem Umfang Freiräume der politischen Beteiligung. Heute blicken viele Menschen wehmütig auf diese Zeiten zurück, doch dieses Gefühl ist oft nicht mehr als falsche Nostalgie. Wie schnell hat sich diese Zivilgesellschaft in Luft aufgelöst! Heute findet politische Beteiligung im Dunkeln statt: Entweder wird sie von Lobbys kontrolliert oder sie ist gleich krimineller Natur. Die Vertretenen leben in einer verblödeten Gesellschaft, manipuliert durch die lärmende Idiotie der Medienspektakel, erstickt von der undurchschaubaren Informationsflut, und ständig im Angesicht der zynisch zur Schau gestellten Macht der Reichen, die sich vor nichts und niemandem verantworten müssen.
    Die Vertretenen wissen nur zu gut, dass die Strukturen der Volksvertretung längst in sich zusammengebrochen sind, doch sie sehen keine Alternative und verspüren nichts als Angst. Dieses Gefühl nährt populistische und charismatische Formen der Politik, die nicht einmal so tun, als würden sie irgendjemanden vertreten. Ein Grund für den Niedergang der Zivilgesellschaft mit ihrem breiten Geflecht von Institutionen war unter anderem die geschwundene gesellschaftliche Präsenz der Arbeiterklasse mit ihren Organisationen und Gewerkschaften. Eine weitere Ursache ist jedoch die Enttäuschung jeder Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderungen, oder besser gesagt die Selbstunterwerfung unter das Finanzkapital und den Aufstieg des Zinses zum einzigen gesellschaftlichen Kitt. Vor allem für die Mittelschicht ist »gesellschaftliche Mobilität« heute gleichbedeutend mit dem Abstiegin ein dunkles, bodenloses Loch. Die Angst wird zum beherrschenden Lebensgefühl. Das ist der Nährboden für Populisten, die vorgeben, uns zu beschützen, und die dazu die Zugehörigkeit zu Ethnien und anderen Gruppierungen bemühen, die in Wirklichkeit jeden Sinn und Inhalt verloren haben.
    Aber selbst wenn die repräsentative Demokratie transparent wäre und perfekt funktionieren würde, handelt es sich definitionsgemäß um eine Einrichtung, die eine Mauer zwischen Bevölkerung und Machthabern, zwischen Regierten und Regierenden errichtet. Als im 18. Jahrhundert die liberalen Verfassungen formuliert wurden und das Prinzip der Volksvertretung in den Mittelpunkt der aufstrebenden politischen Ordnung gestellt wurde, war bereits klar, dass es sich dabei nicht um eine effektive Beteiligung der Bevölkerung handeln würde – nicht einmal der handverlesenen männlichen Bevölkerung, die damals als »das Volk« definiert wurde. Es handelte sich vielmehr um eine »relative Demokratie«, das heißt, das Prinzip der Repräsentation eröffnete den Menschen den Zugang zur Macht, nur um ihn gleich wieder zu versperren.
    Jean-Jacques Rousseau formulierte den Gesellschaftsvertrag und damit die Grundlage der modernen Demokratie. Er suchte ein politisches System, das die Demokratie garantierte, während gleichzeitig das Privateigentum Verwerfungen bewirkte und die Freiheit gefährdete. Dieses System müsse einen Staat errichten, das Privateigentum schützen und das Gemeineigentum so definieren, dass es allen und damit niemandem gehört. Nach Ansicht von Rousseau entsteht die Repräsentation durch einen (metaphysischen) Sprung vom »Willen aller« zum
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