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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur
Autoren: Michael Tsokos
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Material des Täters nachzuweisen, mit dem wir ihn schließlich auch überführen konnten.
    Eins kann ich Ihnen nur sehr indirekt vermitteln: den Geruch einer Leiche. Ich selbst nehme diesen Geruch kaum noch wahr, und Sie sind vermutlich dankbar, beim Lesen keine Bekanntschaft damit zu machen. Dennoch gehört er zu meinem Berufsalltag dazu, weshalb ich ihn den interessierten Lesern nicht vorenthalten mag: Denken Sie an ein Steak, dessen Überreste Sie im Sommer in den Mülleimer geworfen haben. Nach drei Wochen kommen Sie erholt und gut gebräunt aus dem Urlaub zurück und stellen fest, dass Sie vergessen haben, den Mülleimer auszuleeren. Sie müssen es nicht ausprobieren, aber so in etwa können Sie sich den Geruch vorstellen. Der schlimmste Geruch kommt übrigens von Wasserleichen. Nehmen Sie statt des Steaks einen Fisch und lassen Sie ihn statt der drei einfach vier Wochen oder länger im Mülleimer…
    Zu guter Letzt möchte ich an dieser Stelle einem weitverbreiteten Irrglauben entgegenwirken, auch wenn ich wohl keine Chance habe, ihn aus den Köpfen der Krimileser, Fernsehzuschauer und Kinogänger zu verbannen. Zu viele Roman- und Drehbuchautoren füttern zu hartnäckig das beliebteste Gerücht der Rechtsmedizin: dass Leichen von ihren Angehörigen in den Räumen der Rechtsmedizin identifiziert werden.
    Wir alle kennen das Bild, wie Frau oder Mann, Tochter oder Sohn, Mutter oder Vater eines Toten vor der Bahre mit der verdeckten Leiche steht und nach der Enthüllung des Gesichts in Schluchzen ausbricht oder erleichtert aufseufzt. Oder einfach stumm nickt. Doch seit ich als Rechtsmediziner tätig bin, bekam ich noch niemals Besuch von Hinterbliebenen. Bevor wir den Angehörigen in die Leichenhalle bitten und ihm den Anblick der Leiche zumuten, die für ihn früher einmal ein geliebter, lebenslustiger Mensch war, machen wir lieber ordentlich unsere Arbeit.

Die Fälle

Das Skelett auf der Rückbank
    Die Szenerie wirkte wie aus einem Actionfilm, aber ich saß nicht im Kino oder vor dem Fernseher, sondern fuhr in meinem Wagen auf den Tatort zu, zu dem ich wenige Minuten zuvor gerufen worden war.
    Schon aus drei Kilometern Entfernung hatte ich die Rauchwolke am Himmel erblickt. Während ich mich nun der Straßensperre näherte, standen Einsatzwagen der Feuerwehr und der Polizei auf dem Seitenstreifen der Landstraße, ein Krankenwagen hatte das Blaulicht noch angeschaltet. Polizeibeamte sprachen in Funkgeräte, und Kriminaltechniker in Papieranzügen liefen geschäftig mit ihren Asservatenkoffern hin und her. Ich ging zum Kommissar, der neben dem Hauptobjekt des Interesses stand: einem verkohlten Fahrzeugwrack, das aussah, als wollte es jeden Moment in sich zusammenfallen. Hier, auf der Landstraße zwischen Dunsdorf und Aalsfeld, war der Wagen in voller Fahrt explodiert und anschließend von den Flammen regelrecht verzehrt worden.
    Wir Rechtsmediziner werden nur an den Tatort gerufen, wenn der dringende Verdacht eines nicht-natürlichen Todes – also eines Mordes, Suizids oder Unfalls – besteht und zur Rekonstruktion des Tathergangs auch rechtsmedizinisches Know-how erforderlich ist. Beispielsweisewerden wir gerufen, um vor Ort festzustellen, ob ein gewaltsamer Tod zu einem Tatwerkzeug passt, das am Tatort hinterlassen wurde, oder ob ein Sturz von der Treppe tatsächlich stattgefunden hat oder fingiert war.
    Ich hatte bereits kurz mit dem Kommissar telefoniert. Damit ich mir am Ort des Geschehens ein klareres Bild machen kann, beschaffe ich mir nach Möglichkeit schon vorher detaillierte Informationen. Laut Kripo hatten Augenzeugen berichtet, dass der fahrende Wagen von einer fürchterlichen Explosion erschüttert worden sei, alle Scheiben seien zerborsten, Wrackteile meterweit durch die Luft geflogen. Erst fünfzig Meter vom Explosionsort entfernt sei der Wagen schließlich auf der Gegenfahrbahn zum Stehen gekommen, wo er dann vollständig ausbrannte. Ein Landwirt war dem Kommissar zufolge sofort zum Unfallort gerannt, um zu helfen. Doch wegen der Hitze der Flammen hatte er sich dem Auto nicht nähern können. Er hatte dann die Polizei gerufen, und die verständigte wiederum Notarzt und Feuerwehr.
    Jetzt stand der Landwirt neben dem zuständigen Ermittler und schüttelte ungläubig den Kopf: »Dass ein Auto dermaßen brennen kann«, brachte er seine Fassungslosigkeit zum Ausdruck.
    Das Fahrzeug, das halb auf der Fahrbahn und halb auf dem Grünstreifen neben der Straße zum Stehen gekommen war, war so
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