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Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde
Autoren: Alistair MacLean
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nach unten, öffnete die Tür der ersten Kabine, schob Pauli hinein und warf ihm den Erste-Hilfe-Kasten hinterher. »In einer halben Stunde wird ein Arzt hier sein. Und bis dahin ist es mir egal, ob du verreckst oder am Leben bleibst.« Er verließ die Kabine und sperrte die Tür hinter sich zu.
    In der nächsten Kabine saß eine etwa vierzigjährige Frau auf einem Hocker neben ihrer Koje. Obwohl sie durch ihre lange Gefangenschaft sehr abgemagert und blaß war, war sie immer noch eine Schönheit. Die Ähnlichkeit mit ihrer Tochter war geradezu auffallend. Sie war völlig apathisch – die Personifizierung von Resignation und Verzweiflung. Sie mußte den Schuß und den Kampf auf Deck gehört haben, aber ihrem Gesicht war nichts anzumerken.
    Ein Schlüssel wurde im Schloß umgedreht, die Tür ging auf und Harlow trat in die Kabine. Sie rührte sich nicht. Er trat bis auf einen Meter an sie heran, aber sie starrte unverwandt auf einen Fleck zu ihren Füßen.
    Harlow berührte ihre Schulter und sagte sehr sanft: »Ich bin gekommen, um Sie nach Hause zu bringen, Marie.«
    Sie hob langsam den Kopf und starrte ungläubig in das Gesicht, das sie verständlicherweise nicht gleich erkannte. Nur ganz allmählich wurde eine Erinnerung in ihr wach. Sie stand unsicher auf, versuchte zu lächeln, machte einen zittrigen Schritt auf ihn zu, schlang ihre dünnen Arme um seinen Hals und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter.
    »Johnny Harlow«, flüsterte sie. »Mein lieber, lieber Johnny. Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«
    »Nichts, was die Zeit nicht heilen könnte«, sagte Harlow munter. »Und eigentlich war es gar nicht so schlimm.« Er klopfte ihr auf den Rücken, als wolle er ihr dadurch verdeutlichen, daß er tatsächlich da war, und schob sie dann sanft von sich. »Ich glaube, ich kenne jemanden, der Sie sehr gerne wiedersehen möchte, Marie.«
    Für einen Mann, der behauptete, nicht schwimmen zu können, schoß Tracchia mit geradezu unglaublicher Geschwindigkeit durch das Wasser. Er erreichte die Landungstreppe, stolperte zum Kai hinauf und rannte zur nächsten Telephonzelle. Er meldete ein R-Gespräch nach Vignolles an und mußte beinahe fünf Minuten warten, bis die Verbindung zustande kam: Der französische Telephondienst ist nicht gerade der beste der Welt. Er fragte nach Jacobson und erreichte ihn schließlich in seinem Zimmer. Tracchias Bericht über die Ereignisse des Abends war zwar präzise, aber streckenweise unnötig ausführlich, weil er seine Erzählung mit einem reichhaltigen Repertoire von Flüchen ausschmückte. »Das wär's, Jake«, sagte er schließlich. »Dieser gerissene Hund hat uns alle überlistet.«
    Jacobson saß auf seinem Bett, und sein Gesicht war wutverzerrt: doch er hielt sich eisern unter Kontrolle. »Wir sind noch nicht am Ende. Unsere Trumpfkarte haben wir verloren. Also müssen wir uns Ersatz beschaffen. Verstehst du, was ich meine? Ich bin in einer Stunde in Bandol. Wir treffen uns an der üblichen Stelle.«
    »Brauche ich einen Paß?«
    »Ja.«
    »Er ist in meinem Nachttisch. Und bring mir um Himmels willen etwas Trockenes zum Anziehen mit, sonst habe ich noch vor Morgengrauen eine Lungenentzündung.«
    Als Tracchia aus der Telephonzelle trat, lächelte er breit. Er ging zu den Kisten und Fässern hinüber, um sich einen geschützten Platz zu suchen, von dem aus er die ›Chevalier‹ im Auge behalten konnte, und stolperte buchstäblich über den auf dem Boden liegenden Yonnie.
    »Mensch, Yonnie, dich hatte ich ja ganz vergessen!« Der gefesselte und geknebelte Mann blickte flehend zu ihm auf. Tracchia schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, Yonnie. Ich kann dich jetzt noch nicht losbinden. Dieser verdammte Harlow, genauer gesagt, der junge MacAlpine, hat Pauli angeschossen. Und ich mußte um mein Leben schwimmen. Die beiden müssen jeden Moment an Land kommen. Und es ist gut möglich, daß Harlow sich vergewissert, daß du noch hier bist. Und wenn du dann verschwunden bist, wird er augenblicklich Alarm schlagen. Wenn er dich aber noch vorfindet, wird er denken, daß er dich ruhig noch eine Weile hier liegen lassen kann. Das gibt uns etwas Spielraum. Wenn sie weg sind, nimm das kleine Boot und fahr damit zur ›Chevalier‹ raus. Such dir eine Tasche und stopfe alle Papiere aus den beiden obersten Schubladen des Kartentisches hinein. Nicht auszudenken, wenn sie der Polizei in die Hände fielen! Unter anderem wären dann auch deine Tage gezählt. Nimm meinen Wagen und fahre mit der
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