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Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde
Autoren: Alistair MacLean
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Dunnet hinüber, der die Augen senkte, sich auf die Unterlippe biß und den Kopf schüttelte. MacAlpine blickte ins Leere und hing seinen eigenen Gedanken nach. Neben den beiden Männern saß Mary auf einem Campingstuhl. Ihr linkes Bein war immer noch dick eingegipst, und an den Stuhl gelehnt standen zwei Krücken. In einer Hand hielt sie einen Block, auf dem sie die Zeiten notierte, und in der anderen eine Stoppuhr und einen Bleistift. Sie kaute auf dem Bleistift herum und sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Hinter ihr standen Jacobson, seine beiden Mechaniker und Rory. Jacobsons Gesicht zeigte, abgesehen von seiner gewohnten düsteren Miene, keinerlei Ausdruck. Seine Mechaniker, die rothaarigen Rafferty-Zwillinge, trugen wie immer die gleiche Miene zur Schau – in diesem Fall eine Mischung aus Resignation und Verzweiflung. Auf Rorys Gesicht spiegelte sich nichts als kalte Verachtung.
    »Vorletzter!« sagte Rory. »Was für ein Fahrer! Unser Weltmeister dreht wohl seine Ehrenrunde.«
    Jacobson schaute ihn nachdenklich an.
    »Vor einem Monat war er noch dein Idol, Rory.«
    Rory blickte zu seiner Schwester hinüber. Sie saß mit hängenden Schultern auf dem Stuhl und knabberte immer noch an ihrem Bleistift. Die Tränen in ihren Augen waren nun eindeutig zu erkennen. Rory wandte sich wieder Jacobson zu und sagte: »Sehr richtig: vor einem Monat!«
    Ein limonengrüner Coronado fegte heran, bremste und hielt. Die knatternden Auspuffgeräusche erstarben. Nicola Tracchia nahm seinen Helm ab, zog ein großes seidenes Taschentuch hervor, wischte sich damit über sein Filmstargesicht und begann seine Handschuhe auszuziehen. Er sah sehr selbstzufrieden aus, und dazu hatte er auch einigen Grund: Er war gerade Zweiter geworden, und das mit nur einer Wagenlänge. MacAlpine trat zu ihm und schlug dem noch immer sitzenden Tracchia auf die Schulter.
    »Ein fabelhaftes Rennen, Nikki. Ihr bestes bisher – und das auch noch auf dieser gemeinen Strecke. Damit haben Sie drei von fünf Rennen als Zweiter geschafft.« Er lächelte. »Wissen Sie, ich glaube, wir machen doch noch einen Rennfahrer aus Ihnen.«
    Tracchia grinste breit und stieg aus dem Wagen.
    »Warten Sie auf das nächste Mal. Bis jetzt hat Nicola Tracchia sich noch gar nicht angestrengt. Bis jetzt hat er sich nur bemüht, die Wagen, die unser Chefmechaniker zwischen den einzelnen Rennen ruiniert, möglichst heil über die Runden zu bringen.« Er grinste Jacobson an, der das Grinsen erwiderte. Obwohl ihr Wesen und ihre Interessen sehr verschieden waren, bestand zwischen den beiden eine starke gegenseitige Anziehung. »Wenn das österreichische Grand-Prix-Rennen in ein paar Wochen stattfindet, müssen Sie sicher ein paar Flaschen Champagner springen lassen.«
    MacAlpine lächelte zögernd, aber es war klar, daß dieses Zögern sich nicht gegen Tracchia richtete. Innerhalb eines Monats hatte MacAlpine, obwohl man ihn immer noch nicht als dünn bezeichnen konnte, sowohl im Gesicht als auch am Körper beträchtlich an Gewicht verloren. Die ohnehin schon tiefen Falten in seinem Gesicht schienen noch tiefer geworden zu sein, und man hatte den Eindruck, als seien die Silberfäden in seiner eindrucksvollen Mähne zahlreicher geworden. Es war schwer, sich vorzustellen, daß allein das Versagen seines Superstars all diese Veränderungen verursacht haben sollte, aber es war ebenso schwer, sich einen anderen Grund dafür vorzustellen.
    »Sie haben wohl völlig vergessen, daß ein echter Österreicher beim österreichischen Grand-Prix-Rennen mitmischt, was? Ein Bursche namens Willi Neubauer. Sie haben doch sicher schon von ihm gehört?« sagte MacAlpine.
    Tracchia blieb ungerührt. »Unser guter Willi mag ja Österreicher sein, aber er hat die österreichische Strecke nicht für sich gepachtet. Er ist noch nie mehr als Vierter geworden. Ich war in den letzten beiden Jahren immerhin Zweiter.« Er blickte sich kurz um, als ein weiterer Coronado an die Boxen fuhr, und wandte sich dann gleich wieder MacAlpine zu. »Und Sie wissen, wer die beiden Male als Erster durchs Ziel gegangen ist.«
    »Ja, das weiß ich«, nickte MacAlpine. Er drehte sich um und ging auf den Wagen zu. Harlow stieg aus, nahm seinen Helm ab, schaute seinen Wagen an und schüttelte den Kopf. Als MacAlpine sprach, waren weder in seiner Stimme noch in seinem Gesicht Spuren von Bitterkeit, Wut oder Anklage zu entdecken, nur andeutungsweise Resignation und Verzweiflung. »Na, Johnny, Sie können
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