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Delta Operator (German Edition)

Delta Operator (German Edition)

Titel: Delta Operator (German Edition)
Autoren: Marco Gruber
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dieses Mannes, den er fast wie einen Sohn geliebt hatte und der sein Leben für ihn, den alten schwachen Hochverräter gegeben hatte.
    Er erkannte auch die Konsequenzen, die aus ihrem Scheitern resultierten und er wusste, wohin letzten Endes alle Wege der Untersuchungskommission führen würden. Ja, wohin sie führen mussten. Er gab sich da keinerlei falschem Optimismus hin.
    Da erschien ein kleines Reh am Rande der Lichtung und spähte vorsichtig aus dem Unterholz. Der zarte kleine Körper zitterte vor Anspannung und Kälte, mit Sicherheit hatte das Tier Hunger. Grant erspähte das Reh und hob sein Fernglas. Er beobachtete das Tier und stellte zufrieden fest, dass sich weiter hinten im Dickicht noch etwas bewegte. Vorsichtig ließ er das Fernglas wieder sinken und griff nach seinem Gewehr. Er überprüfte, ob sich die Patrone in der Kammer befand, dann hob er die lange Waffe. Er legte auf den Rand der Lic htung an, genau auf die Brust des Rehs und wartete. Durch das Zielfernrohr konnte er sogar die Zeichnung des Fells, den hellen Fleck auf der Brust des Tiers erkennen. Dort würde die Kugel einschlagen, dachte er, vielleicht ein bisschen weiter hinten, beim Gelenk der Vorderläufe, würde Knochen zersplittern und Gewebe und Muskeln zerfetzen.
    Würde er einen Blattschuss landen?
    Vermutlich, entschied er. Obwohl er schon lange nicht mehr geschossen hatte. Er beobachtete weiter das Reh und entdeckte nun weitere Tiere, die am Rand des Waldes auftauchten. Nun traute sich das mutige kleine Geschöpf und sprang leichtfüßig auf das trockene, graue Gras der Lichtung. Grant befeuchtete seine Lippen und presste den Kolben des Gewehrs gegen die Schulter. Sein Finger krümmte sich um den Bügel des Abzuges, sein Ziel befand sich direkt im Fadenkreuz. Er hatte einen großen Rehbock ausgesucht, keinen Hirsch, aber immerhin einen stattlichen Bock mit einem hübschen kleinen Geweih. Er senkte den Lauf und zielte genau auf die Brust des Wildes. Sein Finger krümmte sich weiter und er spürte den Widerstand des Abzugbügels.
    Er wartete.
    Er dachte nach.
    Es ging alles sehr schnell.
    Und es war dann sehr einfach.
    General John Grant zog das Gewehr zurück, stellte den Kolben zwischen seinen Oberschenkel auf den Boden des Hochstandes und führte den Lauf zu seinem Mund. Er schloss die Augen und senkte die Hand, führte den Daumen in den Abzugsbügel und drückte durch.
    Der Rehbock und seine Herde stoben auseinander, vertrieben von einem einzigen, lauten Knall, und verschwanden im Dunkel des dichten Waldes.
     
     
    Arlington Nationalfriedhof
    21.Jänner 2017
    nachmittags
     
    Helen Arnold weinte leise im kalten Nordwind. Sie stand einsam auf einem der vielen flachen Hügel des weitläufigen Friedhofgeländes und betrachtete tief in ihren traurigen G edanken versunken den schlichten weißen Marmorgrabstein mit der schwarzen Aufschrift.
     
    In Memory of
    General William Jefferson Arnold
    * 17.Mai 1961
    T 11.Jänner 2017
     
    Helen trug den schwarzen Mantel, den Will ihr erst kurz vor Weihnachten geschenkt und den sie sich so gewünscht hatte. Sie hatte es ihm nur einmal gesagt, dass er ihr gefiel, als sie ihn in dem kleinen Schaufenster gesehen hatte. Doch er hatte es sich gemerkt und als sie das geschmackvoll verpackte Paket dann unter dem Christbaum hervorgeholt und geöffnet hatte, war sie vor Freude über ihn hergefallen, hatte ihn umarmt und geküsst.
    Nun war er tot und lag hier zwei Meter tief in der kalten feuchten Erde. Gestorben für sein Vaterland, so wie es für ihn anscheinend bestimmt war und wie sie es sich nicht in ihren schlimmsten Alpträumen hatte vorstellen können.
    Helen schniefte und wischte sich die Tränen mit einem hellblauen Taschentuch ab und steckte es dann wieder in ihre schwarze Handtasche.
    Warum, Will?
    Das war die Frage, die sie sich seit dem Tag vor etwa e ineinhalb Wochen beinahe andauernd gestellt hatte und die sie nachts nicht schlafen und am Tag nicht ruhen ließ.
    Warum hast du mir das angetan?
    Nach all den Kriegen und den gefährlichen Einsätzen musst du jetzt irgendwo in Europa sterben, meilenweit entfernt von jeder denkbaren Gefahr.
    Sie fand das einfach unfair und gottlos.
    Sie hatte das nicht verdient. Nicht nach all den Jahren, die sie meist einsam zu Hause zurück geblieben und auf seine Rückkehr gewartet hatte. Nicht nach all den Entbehrungen, die dieses Leben und die ständigen Wohnsitzwechsel mit sich gebracht hatten. Nicht jetzt, da sie sich auf ihren Ruhestand gefreut und die
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