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Delia, die weisse Indianerin

Delia, die weisse Indianerin

Titel: Delia, die weisse Indianerin
Autoren: Marie Louise Fischer
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sagte Delia.
    „Und wenn es uns so wie deinem Vater geht?“
    „Woher willst du denn wissen, wie es ihm geht? Hat er dir etwa geschrieben?“
    „Nein, aber gerade dass er nicht schreibt, ist doch ein Zeichen dafür, dass …“ Babette stockte.
    „Ein Zeichen für was?“
    „Dass ... nun, dass ihm etwas passiert sein muss!“ platzte Babette heraus. Sie wagte nicht, die Cousine anzusehen.
    Aber Delia nahm ihre Bemerkung sehr gelassen auf. Sie hatte sich selbst mehr als einmal über das Schicksal ihres verschollenen Vaters Gedanken gemacht. „Fragt sich nur, was“, sagte sie. „Tot ist er jedenfalls bestimmt nicht.“
    „Weißt du das so genau?“
    „Aber ja“, sagte Delia. „Ich habe doch jeden Abend für ihn gebetet!“
    In diesem Augenblick sah sie ihren Onkel Johannes aus dem Gutshaus auf den Hof treten, einen großen Mann mit blondem Bart und fröhlichen blauen Augen. Sofort rannte sie zu ihm hin, dass ihr weiter Rock ihr nur so um die Beine flog. Aber der Professor war doch schneller als sie und sprang schon an den Keilstiefeln des Onkels empor, noch ehe Delia ihn erreichte.
    „Onkel Johannes! Onkel Johannes!“
    Der Bruder ihres Vaters breitete beide Arme aus und fing sie auf. „Na, mein kleiner Wildfang?“ sagte er und drückte sie zärtlich an die Brust. „Schön, dass du dich wieder einmal bei uns sehen lässt! Wie geht es deiner Mutter und den Schwestern?“
    „Mama ist traurig; Anna und Agathe werden immer unausstehlicher“, berichtete Delia und fügte hinzu: „Ist es wahr, dass ihr nach Amerika auswandert?“
    „Ja. Alles ist bereits perfekt. Wir haben sogar schon die Passage gebucht.“
    „Ach, Onkel Johannes“, sagte Delia und drückte sich noch fester an ihn, „bitte, bitte, nimm mich mit!“
    „Ich tät’s ja gerne“, sagte der Onkel. „Aber es geht nicht, das musst du einsehen. Deine Mutter würde es niemals erlauben.“
    „Wenn du mit ihr reden würdest …“
    „Nein, ich kann ihr nicht ihr Jüngstes wegnehmen!“
    „Sie würde mich gar nicht vermissen; sie hält doch immer zu den beiden Großen!“
    „Das bildest du dir nur ein, Delia. Deine Mutter hat dich sehr, sehr lieb.“
    Delia begriff, dass nichts zu machen war, und löste sich seufzend von ihrem Onkel. „Wann fahrt ihr denn?“
    „Genau heute in einem Monat geht es von Hamburg aus los. Mit der ,Gutenberg’ – so heißt das Schiff.“
    „Wenn du Papa triffst“, sagte Delia, „wirst du nicht vergessen, ihn von mir zu grüßen? Und ihm zu sagen, dass ich sehr große Sehnsucht nach ihm habe?“
    „Wird gemacht, mein Kleines. Aber vergiss nicht – Amerika ist sehr groß, viel größer als Europa. Da ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass man sich eines Tages irgendwo begegnet.“
    „Wenn auch ihr weg seid“, sagte Delia, „dann wird es ganz traurig für mich!“
    Als hätte der Mops ihre Worte verstanden, sprang er plötzlich an ihr hoch und leckte ihre Hand.
    „Ja, du, Professor“, sagte Delia und streichelte zärtlich seinen dicken Kopf, „du bleibst bei mir, ich weiß, und ich hab dich auch lieb. Aber du bist nur ein Hund!“
    „Ein feiner Hund, immerhin“, sagte Onkel Johannes, der versuchte, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. „Achte nur darauf, dass er nicht zu dick wird – Möpse neigen zu Dickleibigkeit.“
    „Der Professor nicht“, sagte Delia entschieden.
    Onkel Johannes wandte sich den Pferdeställen zu, aber sie wich nicht von seiner Seite.
    „Darf ich dich etwas fragen?“
    „Na, immerzu“, sagte Onkel Johannes.
    „Es ist doch gelogen, dass Vater ein Verbrecher ist?“
    Der Onkel blieb stehen und hob die buschigen Augenbrauen. „Wer sagt denn das?“
    „Die Kinder aus meiner Klasse. Die reden oft so blöd. Und auch Wachtmeister Schmittke. Er macht immer solche Bemerkungen, wenn er mich sieht.“
    „Und was sagt deine Mutter dazu?“
    „Mit Mama kann ich über so etwas doch nicht reden.“
    „Na, dann freue ich mich, dass du mit deiner Frage zu mir gekommen bist, und ich werde sie ehrlich beantworten. Dein Vater ist und war ein Ehrenmann. Er wäre einer schlechten Handlung niemals fähig gewesen.“
    „Warum musste er dann fort? Es stimmt doch, dass er geflohen ist, nicht wahr?“
    „Er musste fort, Delia, weil er für sein Vaterland und für die Freiheit gekämpft hat.“
    „Aber Wachtmeister Schmittke, der ist doch damals gekommen und hat alles durchsucht und eine Menge beschlagnahmt ... Steht der denn nicht auf der Seite des Vaterlands?“
    „Nein, Delia, der
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