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Dekan Diavolo

Dekan Diavolo

Titel: Dekan Diavolo
Autoren: Jason Dark
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hellwach und auch bereit, sofort die Waffe zu ziehen, wenn sie mich angriff. Dunja, die Mörderin, ließ mich näherkommen. Eigentlich wirkte sie harmlos, bieder, nett, aber das täuschte gewaltig. Sie war gefährlich, sie scheute sich nicht, einen Menschen umzubringen. Die Irrlehren des indischen Philosophen Ramis hatten sich in ihrer Seele festgesetzt.
    Ich stoppte, als ich mich ungefähr eine Körperlänge von der Leiter entfernt befand. So war der Sichtwinkel noch günstig. Mein Blick glitt an den Sprossen hoch und blieb an ihrer Gestalt haften. Durch die ungewöhnliche Perspektive kam sie mir sehr groß vor. In der schwarzen Kleidung wirkte sie unheimlich.
    Wir schauten uns gegenseitig an.
    Durch die graue Schminke wirkte ihr Gesicht wie eine harte Maske. Auch die Lippen bewegten sich nicht. Auf ihrem Kinn und auf den Wangen blieb die Flaut glatt.
    Ich sah ihre Hände und auch einen Feil ihrer Arme nicht. Beides hielt sie hinter dem Rücken verborgen. Sie mußte dort etwas versteckt halten. Die Rosen vielleicht?
    »Was war mit der Rose?« erinnerte ich sie.
    Dunja zog die Lippen in die Breite. »Du wirst sie noch früh genug bekommen. Nicht nur die eine. Ich habe mir für dich etwas ganz, Besonderes einfallen lassen. Vielmehr der Meister.«
    »Dekan Diavolo?«
    Ihre Augen bekamen einen ungewöhnlichen Glanz, als ich den Namen aussprach. »So ist es, Sinclair. Dekan Dibbuk oder auch Diavolo genannt.«
    »Dann hat er überlebt?«
    Sie breitete die Arme aus und wirkte so, als wollte sie über die Leiter hinwegspringen. »Natürlich hat er überlebt. Wir alle haben überlebt, denn der Geist des Ramis führte uns. Durch ihn sind wir unbesiegbar geworden.«
    »Möglich.«
    »Nein, es stimmt. Wir haben uns wieder zusammengefunden.«
    »Und wo — bitte?«
    »Nicht weit von hier, in einem anderen Land, wo das Grauen schon eine gewisse Tradition besitzt. Wo der Golem und der Dibbuk ein neues Zuhause gefunden haben…«
    »In Prag?«
    »Es ist möglich, es braucht aber nicht zu sein, Sinclair. Wie du weißt, kann uns die gesamte Welt gehören, wenn wir nur wollen. Wir haben einen Rückschlag erlitten, sind aber bereit, weiterzumachen. Wir werden für Ramis in den Tod gehen, damit er mächtiger und stärker wird. Der schwarze Schwan geleitet uns auf den Weg ins Jenseits, wohin er uns sicher führen wird, das verspreche ich dir.«
    Sie konnte recht haben. Ich hatte es ja erlebt. Die jungen Menschen standen unter einem ungeheuren Druck. Sie taten alles, was ihr Anführer, der Dekan Diavolo, verlangte.
    Mir war klar gewesen, daß sich unsere Wege irgendwann einmal kreuzen würden. Daß dies allerdings so rasch geschehen würde, damit hätte ich nicht gerechnet.
    Nur ließ sich Dunja jetzt Zeit. Die blutjunge Mörderin schien die Lage zu genießen. Sie befand sich auf einem seelischen High Trip. In gewisser Hinsicht war sie äußerst euphorisch, auch wenn sie es durch Worte nicht zu verstehen gab.
    Lange genug hatte sie mich gesucht und endlich gefunden. Ich wollte die Dinge beschleunigen. »Hören Sie«, sagte ich, »was soll das alles? Sie haben mich gefunden, jetzt möchte ich, daß Sie zur Sache kommen. Hinter mir liegt eine verdammt lange Fahrt. Ich bin müde und möchte…«
    »Du wirst bald für immer schlafen«, flüsterte sie mir zu. »Für immer…«
    Während der Worte hatte sie die Arme bewegt und holte sie hinter dem Rücken hervor.
    Jetzt sah ich auch, was sie in den Händen hielt. Es waren Rosen. Nicht eine oder zwei, nein, genau sechs schwarze Rosen. Und die Zahl Sechs spielte in der Irrlehre des Inders eine wichtige Rolle. Sechs böse Geister begleiteten den Todeskandidaten auf den Weg ins Jenseits. Geister, die in dem Schwanenkörper eine Heimat gefunden hatten.
    Jede Rose ein Geist. Ein makabres Zahlenspiel, das allerdings zu einer schrecklichen Wahrheit werden konnte.
    Dunja hielt das aus schwarzen Rosen gefertigte Rechteck mit beiden Fländen fest und hatte es so hoch gehoben, daß ich es auch anschauen konnte. Es bildete praktisch eine Figur vor ihrem Gesicht. Ich schaute hindurch und sah die puppenhaften, angegrauten Züge mit den Augen, deren Pupillen geheimnisvoll schimmerten, als hätte jemand eine dunkle Flüssigkeit hineingetropft.
    Dunja kam von allein auf das magische Phänomen zu sprechen, als sie sagte: »Sechs Geister haben mir den Blutschwur abgenommen, den ich meinem Meister gab. Sie werden mich in alle Zukunft beschützen, und sie werden dafür sorgen, daß meine Feinde sterben.« Sie hatte
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