Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Titel: Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
Autoren: Deuticke
Vom Netzwerk:
mir an die Oberfläche geholt, ähnlich wie damals im Mittelalter mit Blutegeln das Fieber aus dem Körperinneren gezogen wurde. Mein Gypsy Husband war für mich wie eine Vermählung mit New York. Er war die beste Stadt auf der Welt, er war die einzige Stadt auf der Welt, bis er mich total einkesselte. Noch nie zuvor tat mir etwas so weh. Er war wie ein exotischer Schmetterling. Jetzt ist er fort. Ich habe echt Glück gehabt.
    Wenn Selbstmord keine Option mehr ist, musst du dich stattdessen auf die Dunkelheit einlassen und etwas daraus machen.
    Perry schlägt mir im Schlaf manchmal ins Gesicht. Um sechs Uhr früh wache ich auf und empfinde statt Traurigkeit nur Wut und das Bedürfnis zu pinkeln. Etwas zieht mich hinaus in den Garten, ganz nach hinten. Ich finde die Stelle wieder, wo ich den Karton mit der tiefgefrorenen Lasagne vergraben habe. Ich ziehe meine Pyjamahose runter, gehe in die Hocke und pinkle darauf. Als ich mich umsehe, entdecke ich Perry, ein Stück weiter weg zu meiner Rechten, der mich mit der Aufmerksamkeit eines Bodyguards beobachtet.
    7. Mai 2008
    Meine schönste Erinnerung an Dr. R ist, als wir in Massachusetts am Jiminy Peak in der Warteschlange am Lift standen und plötzlich einen Mann sahen, der nur in einer Badehose im Freien bei Minusgraden fröhlich in einer heißen Wanne herumhüpfte. Bei näherem Hinsehen erkannten wir, dass es Dr. R war (wir hatten keine Ahnung, dass er auch dort sein würde), der einen Heidenspaß hatte.
    J UND J (NEW YORK, NY)

43. Kapitel
    Ich sitze an einem Holzschreibtisch in einem toskanischen Bauernhaus aus dem 15. Jahrhundert und schreibe an meinem neuen Drehbuch. Ich bin mit einem Mann hier, mit dem ich mal ganz kurz ein Verhältnis hatte, der inzwischen aber ein guter Freund ist, ein ganz lieber, einer der engsten Freunde, die ich habe, obwohl ich ihn gezwungen habe, mir ins Gesicht zu sagen, dass ich »sexuell einfach nicht sein Ding bin«. Daraufhin habe ich beleidigt eine skurrile geheime Liste verfasst und gemutmaßt, wer oder was »sein Ding« sein könnte. (»Seite 3: Mädchen mit sechs Fingern?« – »Marmite?« – »Ein Kommentar aus dem Off von Morgan Freeman?« – »Die Erkennungsmelodie von
Ghostbusters
?« – »Die Erkennungsmelodie von
Ghostbusters
II
?«) Wir ernähren uns von frischen Tomaten und Käse, und danach gibt es Gebäck mit Pinienkernen und den besten Kaffee aller Zeiten. Im Moment sitzt er unten an seinem Schreibtisch, ich bin ein Stockwerk darüber in einem Turmzimmer. Ich habe Lust, mir den Song
Postcards from Italy
von Beirut anzuhören. Ein phantastisches Lied! Eigentlich noch sehr viel mehr, denn darin steckt sehr vieles meiner Geschichte mit GH . Aber es ist auch einfach nur ein verdammt guter Song. An diesem Nachmittag hat er keine Vorgeschichte, besteht lediglich aus Melodie und Worten, und er tut nicht weh in meinem Herzen, sondern erfüllt mich nur mit einer Freude, die ich die ganze Woche schon verspüre.
    Da kommt mein Freund die Treppe herauf. »Zwei Punkte: Erstens: Willst du lesen, was ich geschrieben habe? Und zweitens: Würdest du bitte aufhören zu singen? Du hörst dich an wie eine verdammte Kneipensängerin.«
    Zum Abendessen setzen wir uns in den Garten. Die Sonne scheint, eine Katze liegt auf meinem Schoß, die Sonne scheint, über mir ein Pflaumenbaum, die Sonne scheint, vor uns liegt ein wunderschönes Tal, die Sonne scheint, also habe ich meine Brille auf, um meine Augen zu schützen. Mein guter Freund schaut mich an und sagt: »Die verträgst du nicht.«
    »Doch, tu ich.« Wenig später: »Warum?«
    »Die Linsen sind sehr unterschiedlich.«
    »Sind sie nicht.«
    »Sind sie doch.«
    Ich bin irritiert, weil ich nicht weiß, was er meint, und dann nehme ich die Brille ab und sehe, dass ich seit zwanzig Minuten versehentlich
seine
Brille trage, die keine Sonnenbrille ist, sondern eine hochgradige Korrektionsbrille.
    Ich tausche die Brille schnell gegen meine Ray-Ban aus, und das Thema ist erledigt.
    Die Katze, verfilzt und blauäugig, hebt den Kopf und sagt: »Tussi, du hast echt nichts dazugelernt!«
    Alles ist gut.
    Darf ich Ihnen erzählen, wie es ist,
in
Millais’ Ophelia-Bild zu leben? Es gibt Stellen, an denen das Wasser angenehm warm ist. Beim Ertrinken kann ich den Himmel sehen, die hängenden Äste über meinem Kopf. Es ist total schön! Ich will möglichst lange an der Wasseroberfläche bleiben. Eine Zeitlang treibt ein junger Mann neben mir her, wir halten uns an den Händen und betrachten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher