Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Titel: Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
Autoren: Deuticke
Vom Netzwerk:
siebzehnminütige Ansprache, und erst als er zur Eidesformel kommt, verspricht er sich. Tja, kann passieren ...
    8. Mai 2008
    Dr. R hat mir geholfen, meinen ersten und einzigen Fisch zu fangen.
    E (NEW YORK, NY)

42. Kapitel
    Ich mache nicht jeden Tag meine Gymnastik und ich meditiere auch nicht jeden Tag, aber ich denke täglich an Selbstmord, als würde ich ihm auf dem Weg zur Arbeit respektvoll zunicken. An manchen Tag wache ich schon mit dem Gedanken an Selbstmord auf oder werde von ihm geweckt. An anderen Tagen überfällt er mich, wenn ich nicht schnell genug aus dem Bett komme. Und in seltenen Fällen ist er beim Einschlafen mein letzter. Kein einziges Mal denke ich daran, wenn ich draußen in der Welt unterwegs bin. Meist ist er keine Reaktion auf irgendwas – es kommt nur selten vor, dass etwas passiert und ich deshalb denke: »Ich sollte mich umbringen!« Es ist etwas Subtileres, mehr wie eine Duftnote. Eine Art Markenzeichen, denke ich mir, und es fällt kaum auf. Nur alle paar Jahre wird er übermächtig. Dann lenkt mich oft das Streicheln meiner Katzen ab. Musik ebenfalls. Und auch Sex – wenn ich verliebt bin – lenkt mich ab.
    Ich frage mich, ob
er
es wusste – ob es das war, was er in meinen Haaren gerochen hat? Eine Komponente. Eine Kopfnote. Es gibt nur einen einzigen Zeitraum, in dem ich absolut
gar
nicht daran dachte, und das war in der Zeit mit ihm. Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich hoffe, er traf mich nur zufällig zu einem Zeitpunkt, als Dr. Rs Arbeit mit mir erste Früchte trug. Möglich wäre es ...
    Dr. R und GH waren für mich zwei Seiten derselben Medaille. Mit ihnen hatte ich mich so absolut wohlgefühlt. Sie gaben mir das Gefühl, ein guter Mensch zu sein. Sie sahen etwas mehr.
Sie sahen mich
. Und jetzt können sie mich gar nicht mehr sehen. Wie unsagbar traurig. Es ist einfach nur traurig und basta! Denn ich kann sie immer noch sehen. Ich kann die Welt sehen, in der ich war. In diesen Spiegel kann man von beiden Seiten sehen. Aber das gilt nur für mich.
    Sie wollen sicher wissen, ob ich jemand Neuen gefunden habe oder nicht, trauen sich aber nicht zu fragen. Ob es jemanden gibt, der das riesige Loch in meinem Herzen ausfüllen kann, das die Trennung von ihm in mir hinterlassen hat.
    Ja, ich habe jemanden gefunden.
    »Das Leben ist sinnlos«, sagt meine neue Therapeutin, Michaela, »und keiner überlebt es. Das Einzige, was zählt, ist die Liebe.«
    Sie ist das krasse Gegenteil von Dr. R. Aber ist das nicht immer so?
    Ich fühle mich ihr sehr verbunden. Aber ich weiß, auch wenn wir für immer zusammenbleiben, muss eine von uns zuerst gehen.
    Die Traurigkeit – die allgemeine Traurigkeit, die in meinem Hirn hockt und pinkelt – ist nicht vorbei. Wird sie nie sein. Doch inzwischen weiß ich, wie ich sie am besten vertreiben kann. Das klappt meistens ganz gut. Manchmal nicht. Einmal sitze ich auf dem Bürgersteig und weine so haltlos, dass eine Frau mich fragt, ob sie mit mir beten soll. Ich sage ja. Ich werde dieser Frau ewig dankbar sein. Sie war hübsch, jung und trug den allgegenwärtigen Juicy-Couture-Trainingsanzug. Sie sah aus, als käme sie gerade vom Sport. Sie betete mit mir, bis der Bus kam. Dann ging ich nach Hause, machte mir Tee und schrieb eine Notiz an mich selbst:
    Na schön, fuck it, ich will es so.
    Es will mich so. Und ich will es ebenfalls.
    Auf dem Portobello Market kaufe ich mir einen viktorianischen Ring. Er besteht aus einem Schädel, durch den sich eine Schlange windet, und er kostet fünfhundert Pfund. So viel Geld habe ich noch nie für etwas ausgegeben, außer für meinen Computer. »Hat mir Scott Rudin geschenkt«, sage ich, als ich ihn an den Finger stecke, doch das sage ich auch, wenn ich Katzenfutter und Toilettenpapier kaufe. Ich kaufe den Ring, weil ich wie die Mädchen sein will, die durch ihren Verlobungsring an das Versprechen gebunden sind, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. Ich will ihn jeden Tag betrachten und den Gedanken an den Tod glitzern und funkeln lassen, mehr nicht. Er bleibt an meinem Finger. Jungfrauen haben es normalerweise nicht leicht: Es bedeutet eine Menge Blowjobs und Analsex, wenn man den eigentlichen Sex bis zur Hochzeitsnacht aufschieben will. Und merkwürdigerweise denke ich, dass es dasselbe ist, wenn ich den Tod bis zum eigentlichen Tod aufbewahre. Ich werde vermutlich eine Menge bizarrer Entscheidungen treffen, nur um am Leben zu bleiben. Aber damit kann ich leben.
    Ich sagte zu Dr. R, New York hätte das alles in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher