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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab
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Schachtel.
    »Sagen Sie, diese Pralinen, gibt es die bei Ihnen zu kaufen?«
    Er blickte überrascht auf die Pralinenschachtel und auch Toms Blick folgte nun ihrem Fingerzeig.
    »Wissen Sie«, fuhr sie fort, »das sind die Lieblingspralinen meiner Großmutter und die habe ich schon ewig nicht mehr in einem Geschäft finden können. Kann ich die Schachtel kaufen?«
    Tom verspürte ein Kribbeln in seiner Bauchgegend, für einen Augenblick hielt er den Atem an.
    »Nein, nein, die habe ich selbst geschenkt bekommen. Aber wenn Sie möchten, kann ich gerne nachfragen, wo man die Pralinen bekommt.«
    »Das wäre furchtbar lieb.«
    Sie verstand es, ihn um den Finger zu wickeln. Tom war überrascht, wie freundlich der Gastwirt auf einmal sein konnte.
    Fritz drehte sich um und nahm den Hörer von dem Wandtelefon, das neben der Tür zu einem Hinterzimmer hing. Er wählte eine Nummer ohne Vorwahl, aber am anderen Ende meldete sich niemand.
    »Komisch, dabei wollte ich sie doch gleich abholen.«
    Er verschwand im Hinterzimmer. Sie hörten, wie er mit jemanden sprach.
    »Bis gleich!«
    »Komm«, sagte Marlene und stieß Tom mit ihrem Ellenbogen in die Seite.
    Er legte ein Fünfmarkstück auf den Tresen und folgte ihr zur Tür. Sie beschleunigten ihre Schritte, als sie einen Wagen vom Parkplatz fahren sahen.
    Tom beeilte sich, den Wagen zu wenden und folgte Fritz. Der fuhr die Dorfstraße hinauf und bog kurz hinter dem Sparladen links ab. Vor einer kleinen Wohnsiedlung hielt er an. Sie sahen, wie er eilig einen kleinen Weg zu einer der verschachtelt gebauten Wohnungen hinauflief und mehrmals an einer der Wohnungstüren klingelte. Als keiner öffnete, zog er aus seiner Hosentasche einen Schlüssel.
    Fritz stand wie versteinert im Türrahmen zu dem kleinen Wohnzimmer. Tom und Marlene waren ihm gefolgt, die Haustür war nur angelehnt gewesen.
    Als Tom die ältere Frau auf dem Sofa liegen sah, stürzte er zu ihr hin. Vorsichtig legte er seinen Zeigefinger an die Halsschlagader. Nach einem kurzen Augenblick schüttelte er den Kopf.
    Sein Blick fiel auf den kleinen Couchtisch, auf dem ein silberner Bilderrahmen lag. Das Glas hatte einen Sprung quer über die vergilbte Fotografie, die einen ernsten, jungen Mann zeigte.
    Marlene kniete sich nun ebenfalls neben den reglosen Körper. Dabei stieß sie mit dem Fuß gegen ein kleines Fläschchen, das neben dem Sofa auf dem Boden lag. Tom bückte sich und hob es auf. Das Etikett zeigte einen Totenkopf. In kleinen, verschnörkelten Buchstaben stand darunter: Thallium – Rattengift.

57
    Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel, ein leichter Wind wehte.
    Tom und Marlene beobachteten Haie, der mit gesenktem Blick auf dem Deich entlang ging. Er hatte auf eigenen Wunsch noch am gestrigen Abend das Krankenhaus verlassen.
    »Man sieht fast nichts mehr«, rief er ihnen nach einer Weile zu.
    Die Stelle, an der die Polizei am Tag zuvor die Leiche von Britta Johannsen geborgen hatte, war wieder fachmännisch verschlossen worden. Nur ein leichtes Muster, das sich zwischen dem Grün des Grases abzeichnete, deutete darauf hin, dass hier vor kurzem gegraben worden war. Haie kam langsam die Senkung des Außendeiches hinabgestiegen.
    »Eigentlich ein perfektes Versteck für eine Leiche«, stellte er fest, als er neben den beiden stand.
    Marlene schauderte es bei dem Gedanken, das Broder und Klaus die Leiche einfach in dem gebrochenen Deich hatten verschwinden lassen.
    »Obwohl ich schon so viel darüber gelesen habe, läuft es mir bei dem Gedanken daran, dass man Menschen einfach so in einem Deich verscharrt, eiskalt den Rücken hinunter.«
    Tom legte seinen Arm um ihre Schulter.
    »Na ja«, entgegnete er und versuchte, dabei leicht zu lächeln, »so ganz haben die beiden das ja Gott sei Dank nicht verstanden mit dem Deichopfer.«
    Schweigend gingen sie den Koog entlang. Die Stimmung war leicht gedrückt, obwohl sie über den Ausgang der ganzen Sache letztendlich alle erleichtert waren. Jeder hing seinen Gedanken nach, noch unfähig, die Dinge in ihrem Zusammenhang mit dem Verstand vollständig zu erfassen.
    Wie konnte ein kleines Mädchen Opfer von schmutzigen Geschäften werden? Wie groß musste Broders Angst gewesen sein, jahrelang diesen Unfall zu vertuschen und mit dieser Schuld belastet zu leben? Nicht nur das. War er doch auch schuld, dass das ganze Dorf Hannes für den Mörder gehalten hatte. Und wenn man es genau nahm, war er auch verantwortlich für dessen Tod. Hätte Frieda nicht geglaubt,
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