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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht
Autoren: Tami Hoag
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Mitch in seinem Ohrensessel sitzen, mit abgewandtem Gesicht, als wolle er seine Anwesenheit vertuschen.
    »Tut mir leid, daß du das mit anhören mußtest«, sagte sie.
    Er stand auf, ratlos, erschöpft. »Es war für euch beide hart. Ihr braucht ein bißchen Zeit …«
    »Nein«, unterbrach sie ihn. Sie hob die Hand und steckte sich eine Strähne hinters Ohr. »Nein, das brauchen wir nicht.«
    Mitch machte keine Anstalten, ihr zu widersprechen.
    »Was kommt jetzt dran?« fragte sie.
    »Wir starten eine großangelegte Suche nach dem Ort, an den Wright Megan geschleppt hatte. Unserer Schätzung nach kann er nicht mehr als fünfundsiebzig Meilen entfernt sein. Wahrscheinlich weniger. Wir überprüfen, ob er noch irgendwo Grundbesitz oder einen Van hat. Sobald sein Anwalt hier ist, wird er verhört werden. Inzwischen reißen wir uns den Arsch auf, um alles gegen ihn hieb- und stichfest zu machen, damit wir ihn für den Rest seines Lebens einlochen können.«
    Hannah nickte. »Und Josh?«
    »Wir werden auf Hochtouren laufen, um ihn zu finden.« Ihn oder seine Leiche. Er sprach es nicht aus, aber Hannah konnte es in seinen Augen lesen.
    »Sag mir, daß du ihn nicht aufgibst, Mitch«, flehte sie. »Du weißt, was es heißt, ein Kind zu verlieren. Versprich mir, daß du Josh nicht aufgibst!«
    Mitch nahm sie in die Arme und hielt sie einen Augenblick fest. Jawohl, diesen Verlust hatte er durchgemacht, ob das nun half oder nicht; er konnte Hannah nicht zwingen, sich diesem Schmerz zu stellen, solange es auch nur einen Hoffnungsstrahl gab.
    »Ich verspreche es«, flüsterte er heiser. »Er lebt so lange, bis mir jemand das Gegenteil beweist.«
    »Er lebt«, sagte Hannah ruhig und zuversichtlich. »Er lebt, und daran halte ich fest, bis ich ihn wiederhabe.«
     
    Mitch würde sie anrufen, falls sich etwas ergab, würde sie auf dem laufenden halten. Sie brachte ihn zur Tür und sah zu, wie er seinen Truck rückwärts aus der Einfahrt fuhr in Richtung Süden. Seine Bremslichter glühten rot, die einzige Farbe in einer schwarzweißen
Nacht. Immer noch fiel Schnee, getrieben von einem Wind, der durch Mark und Bein ging.
    Hannah trat zurück ins Haus und rieb sich den Frost aus den Armen, obwohl sie wußte, daß die Kälte viel tiefer lag. Sie klirrte in ihrem Innersten, während sie im Wohnzimmer stand und ihr klarwurde, da die Familie, die diesen Raum bewohnte, nicht mehr existierte. Das Haus fühlte sich wie ein leerer Eiskeller an. Es herrschte Verlassenheit, und sie erschauderte bei dem Gedanken, daß sie von jetzt an allein sein würde.
    Bis auf Lily.
    Lily schlummerte in ihrem Bettchen auf der Seite, an Joshs alten Teddybären gekuschelt, der Daumen gerade aus dem Mund gerutscht. Hannah sah hinunter auf ihre Tochter. Ein schmaler Streifen des Nachtlichts traf Lilys Gesicht, so süß, so unschuldig, so kostbar, von goldenen Löckchen eingerahmt. Lange Wimpern auf Pausbacken, die vom Schlaf gerötet waren. Ihr Mund eine Rosenknospe, die sich soeben öffnete.
    »Mein Baby«, flüsterte Hannah und strich mit einer Fingerspitze über sie.
    Sie konnte sich noch erinnern, wie es gewesen war, dieses neue Leben in sich zu tragen, konnte sich noch an das Gefühl erinnern, Josh unter dem Herzen zu tragen. An jeden Augenblick der Freude, der Furcht, des Staunens über das Wunder, das ihr erstes Kind sein würde. An ihre Erregung – ihre und Pauls -, als sie erfuhren, bald Eltern zu sein. An die Nächte zusammen im Bett, als sie die Zukunft planten, mit Pauls Hand auf ihrem Bauch.
    Die Vorstellung, daß sie nie wieder so nebeneinander liegen würden, brach ihr das Herz ebenso wie der Gedanke, daß sie nie wieder eine Zukunft planen würde aus Angst vor einem neuerlichen Schicksalsschlag. Sie fühlte sich bis auf die Knochen beraubt, ihres Sohnes, ihrer Ehe, ihres Glaubens, daß die Welt ein Ort voller wunderbarer Aussichten war, bestohlen.
    »Jetzt sind nur noch wir zwei übrig, Lily, mein Käfer«, flüsterte sie. Lily blinzelte und schlug ihre großen Augen auf. Die Süße setzte sich auf und rieb sich mit einer kleinen Faust über die Wange. Sie hob den Kopf zu Hannah und runzelte die Stirn, als sie die Tränen ihrer Mutter sah.
    »Mama, nicht weinen«, nuschelte sie und streckte die Ärmchen aus, eine stumme Bitte, sie hochzuheben.

    Hannah umschlang sie, drückte sie an sich und schluchzte um alles, was sie verloren hatte, um die Ungewißheit ihrer Zukunft. Angst und Furcht schlugen ihre Klauen in sie, und sie konnte nichts tun,
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