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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
Autoren: Faye Kellerman
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aber wie das Spiel ausgehen würde, stand jetzt schon fest – eins zu null fürs Baby.
    Decker ließ den Blick über den Eßtisch aus Kirschholz gleiten. In seinen Junggesellentagen hatte er ihn selbst gezimmert, aber jetzt war er zu klein für die Familie, und die Tischplatte war zerkratzt und voller Kerben. Aber Rina konnte hoffnungslos sentimental sein. Sie weigerte sich, sich von diesem Stück Handarbeit ihres Mannes zu trennen.
    »Wer ist denn diese Honey-Tante überhaupt?« fragte Decker. »Ich habe den Namen noch nie von dir gehört.«
    »Das liegt daran, daß wir nicht so eng befreundet waren.«
    Decker verputzte die erste Hälfte von seinem Sandwich. »Was will sie dann? Ein kostenloses Hotel?«
    Rina wischte Hannah den Mund ab. »Ich glaube, da steckt mehr dahinter.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, warum hat sie nicht Evie Miller angerufen? Sie und Evie waren ein Herz und eine Seele. An Evies Stelle wäre ich jetzt beleidigt.«
    Hannah prustete einen Mundvoll Joghurt in Rinas Richtung. Dann warf sie ohne abzuwarten den Kopf zurück und gluckste fröhlich.
    »Sehr komisch«, grummelte Rina. Aber sie mußte selber auch lächeln. »Wie kommt es nur, daß ich dir nicht böse sein kann, Channelah?«
    »Weil ich so furchtbar niedlich bin, Mami«, antwortete Decker.
    Rina versuchte wieder, Hannah zu füttern, aber das Baby grapschte sich den Löffel und fing an, damit auf dem Tischchen des Hochstuhls herumzuhämmern. »Ich weiß nicht, warum sie Evie nicht angerufen hat.«
    »Vielleicht hat sie ja. Vielleicht will Evie sie nicht. Die Frau hört sich ein bißchen komisch an.«
    »Ich würde nicht unbedingt sagen, daß sie komisch ist –«
    »Sie hat kein Telefon?«
    »Das gehört zum Selbstverständnis im Dorf.«
    »Im Dorf ?« Decker schüttelte den Kopf. »Was ist falsch daran, in einer Großstadt zu leben oder wenigstens in einer Stadt ? Seit wann ist Upstate New York Polen im sechzehnten Jahrhundert?«
    »Das ist psychologisch zu sehen, Peter. Außenwelt ausklammern. Weniger Ablenkung. Bessere Voraussetzungen, um die Thora zu lernen.«
    »Aber Geld von ihrer Außenwelt zu verlangen, finden sie offensichtlich in Ordnung.«
    »Alle müssen von irgendwas leben, auch Gelehrte.«
    »Man kann auch arbeiten und lernen. Ich halte nichts von Wohltätigkeit für Leute, die genausogut selber für sich sorgen könnten, Juden inbegriffen.«
    »Die Leibbener Chassidim sind Extremisten«, gab Rina zu. »Ihr Rabbi hat ein paar äußerst seltsame Vorstellungen zur Kabbala und was sie in bezug auf den Messias und das Leben nach dem Tod zu bedeuten hat. Das gilt alles als sehr abwegig und ist ganz und gar kein gesicherter Glaube.«
    »War Honey schon immer eine religiöse Fanatikerin?«
    »Überhaupt nicht. Sie ist aufgewachsen wie ich. Modern orthodox. War ganz vernarrt in John Travolta. Ich glaube, Saturday Night Fever hat sie zehnmal gesehen.«
    Decker aß den Rest von seinem Sandwich und schwieg. Rina kippte ein halbes Dutzend klitzekleine Kekse auf Hannahs Hochstuhltischchen. Das kleine Mädchen ließ den Löffel fallen, starrte die Kekse an und nahm dann vorsichtig einen zwischen Daumen und Zeigefinger und balancierte ihn erfolgreich in ihren Mund.
    Rina wischte das Plastiklätzchen des Babys ab. »Peter, du hast schon wieder diesen Polizistenblick, was ist?«
    »Was glaubst du, was sie wirklich will?« fragte Decker.
    »Einfach mal raus«, antwortete Rina. »Aber warum auch nicht? Du weißt ja, wie nervtötend die Religion manchmal sein kann.«
    »Ach, wirklich?«
    Decker machte ein unschuldiges Gesicht. Rina knuffte ihn in die heile Schulter – die, an der er keine Schußverletzung hatte. »Warum sollte Honey nicht auch mal die Möglichkeit haben auszubrechen?«
    »Und du willst für ihre Unterhaltung sorgen?«
    »Ach, weißt du, Peter, eigentlich denke ich, es wäre vielleicht ganz schön, ein wenig Gesellschaft zu haben. Jemanden, mit dem man in Erinnerungen schwelgen kann.«
    Decker schmunzelte in sich hinein. Konnte jemand, der noch so jung war wie Rina, tatsächlich in Erinnerungen schwelgen? Denn sie war jung – zwölf Jahre jünger als er. Etwas, worüber Decker nicht gerne nachdachte.
    Rina befreite Hannah aus ihrem Hochstuhl und gab sie Decker. »Also, was soll ich Honey sagen? Soll ich ihr sagen, daß es in Ordnung ist, wenn sie kommt?«
    »Das überlasse ich dir, Liebling. Von mir aus ist es okay.«
    Decker wippte Hannah auf den Knien. Sie war ein kräftiges Baby – groß und mit langen Gliedern und
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