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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
Autoren: Faye Kellerman
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haben, als ich ihn damals heiratete. Er war … wunderbar ! Gut aussehend und liebevoll … ein wunderbarer Vater.«
    Sie schloß die Augen und öffnete sie wieder.
    »Die Veränderung kam so unmerklich. Mit einem Schlag … war ich mit einem Fremden verheiratet. In der Rückschau frage ich mich, ob es nicht etwas Organisches war – ein Tumor oder ein Nervenzusammenbruch. Denn ein Mensch verändert sich doch nicht einfach so.«
    Sie zog ihr schwarzes Tuch zurecht, das jeden Zentimeter ihres Haars bedeckte.
    »Es war so unmerklich. Erst war es dieses Dawenen den ganzen Tag. Dann wurde er ein Nazir. Aber erst als er mit den Kindern angefangen hat, wußte ich, daß es hoffnungslos war. Gepredigt hat er ihnen. Dann mußten sie sich setzen, und er predigte stundenlang und schrie sie an, wenn sie nur einen Muskel bewegten oder zuckten oder mit den Lidern plinkerten.«
    Sie leckte sich über die Lippen.
    »Wenn er seine Glaubensreden hielt, mußten sie Sackleinen tragen. Und als er dann anfing, sie einmal in der Woche fasten zu lassen, wußte ich, daß ich … können Sie sich vorstellen, was für einen seelischen Schaden er angerichtet hat? Baruch Haschern, zum Glück war der Rebbe da, um ihn auszuschalten.«
    »Warum haben Sie ihn nicht einfach verlassen, Honey?«
    »Er hat geschworen, daß er mich lieber tot sehen wolle, als mir einen Get zu geben. Der Rebbe hat versucht, einen Dispens zu bekommen … man kann sich von einem Verrückten scheiden lassen. Unglücklicherweise konnte Gershon bei allem Fanatismus ganz rational denken. Wenn man mit ihm sprach, war er in der Lage zu antworten. Er funktionierte völlig normal … aber dann eben auch nicht.«
    »Hat der Rebbe mit ihm gesprochen?«
    »Natürlich«, flüsterte Honey. »Jeder konnte sehen, was mit ihm vor sich ging. Sie haben alle getan, was sie konnten, um Gershon zur Vernunft zu bringen.«
    »Aber er wollte sich nicht zur Vernunft bringen lassen. Sein Jejzer hara hatte sein Jejzer tow verdrängt.«
    Honey brach in Tränen aus und nickte.
    Decker sagte: »Niemand wollte ihm etwas Böses tun, sie wollten nur Gershons Jejzer tow zurückholen.«
    »Sie verstehen also.«
    »Natürlich.« Decker sprach sehr sanft. »Der Rebbe hatte keine Wahl. Er tat, was er tun mußte. Was er nach der Halacha auch durfte, dem jüdischen Gesetz nach.«
    Honeys Kopf schoß hoch. »Was? Was wollen Sie damit sagen?«
    Ihre Stimme hatte einen eisigen Klang angenommen. Niemals würde sie ihren geliebten Führer beschuldigen.
    »Honey«, sagte Decker. »Sie möchten sicher nicht aussprechen, was passiert ist. Aber ich weiß, was passiert ist. Ich weiß, daß es wahrscheinlich ein Unfall war. Aber das heißt nicht, daß es kein Mord ist. Den Mund zu halten, um andere zu schützen, wird niemandem etwas helfen.«
    Honey zögerte, dann sagte sie: »Lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich weiß, daß einige … Leute in meiner Stadt mit Gershon sprechen und versuchen wollten, ihn zu überreden, daß er mir einen Get gibt.«
    Es trat eine ausgedehnte Stille ein.
    »Deshalb bin ich nach Los Angeles gekommen. Damit die Leute allein mit Gershon reden konnten.«
    »Und deshalb sind Sie jetzt hier und benutzen falsche Pässe?«
    »Akiva, ich wußte, daß Gershon bitterböse sein würde, wenn es nichts half. Um mich habe ich mir keine Sorgen gemacht. Aber um die Kinder. Ich wußte, daß ich weit weg gehen mußte. Deshalb habe ich die falschen Papiere anfertigen lassen.«
    Decker setzte sich neben sie. »Honey, nun hören Sie mir mal zu. Was ich jetzt sage, kommt von Herzen. Diese ganze Tragödie tut mir sehr leid für Sie. Denn eine Tragödie ist es wirklich. Aber ich glaube, es ist das beste, wenn Sie sich den Dingen stellen. Sie nehmen sich einen Anwalt, einen hervorragenden gesetzlichen Vertreter für den Rebbe –«
    »Er hatte damit nichts zu tun!« unterbrach Honey ihn scharf.
    »Schon gut, schon gut«, lenkte Decker ein. »In Ordnung, bleiben wir bei Ihnen. Sie nehmen sich einen Anwalt und besprechen Ihren Fall mit ihm. Wo sind die Kinder?«
    »In Sicherheit.«
    »Hier?«
    »Ja. Bei Menschen, die sie lieben und sich um sie kümmern können. Ich muß sie doch nicht mit nach Amerika nehmen, oder?«
    »Wollen Sie sie hier lassen … allein?«
    »Sie sind hier nicht allein, Akiva.« Honey zwinkerte ein paar Tränen weg und sah Decker ins Gesicht. »Sie sind bei drei Millionen Brüdern und Schwestern. Das ist eine verflixt große Familie.«
    »Wenn Sie es so haben wollen, gut.«
    »Ja, so will ich es
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