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Deborahs Totenacker

Deborahs Totenacker

Titel: Deborahs Totenacker
Autoren: Jason Dark
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einem Ghoul zu trauen ist immer eine Sache für sich. Ein Ghoul ist ständig hungrig, und er nimmt die Gelegenheit wahr, wo er sie bekommen kann.
    Auf dem alten Totenacker war es still. Ich sah rechts von mir die Grabsteine. Sie standen früher in Reih und Glied, doch im Laufe der Zeit waren viele umgekippt, oder sie steckten nun schief im Erdreich. Alte Kreuze, Steine, Figuren, sie bildeten das Durcheinander auf der weichen, mit Gras und Unkraut bewachsenen Erde.
    Der Wind fuhr ebenfalls über das Gelände hinweg. Flüsternd berichtete er von den alten Gebeinen, die hier unter der Erde lagen, als wollte er Geschichten von Seelen und verlassenen Gräbern erzählen. Ein schauriges Gefühl hielt mich umklammert, und die graue Wolkendecke tat ihr übriges, damit dieses Feeling auch anhielt.
    Cattani blieb vor dem alten Leichenhaus stehen. Früher mochte hier eine freie Fläche gewesen sein, wo sich die Menschen versammelt hatten.
    Frei war die Fläche zwar, aber kleine Büsche und Unkraut hatten sie überwachsen.
    Direkt über dem Eingang hatte das Dach am meisten unter dem Zahn der Zeit zu leiden gehabt. Es war durch einen Sturm nach vorn gerutscht. Zahlreiche Pfannen hatten sich gelöst und waren zu Boden gefallen, wo sie jetzt noch lagen, überdeckt von einem dünnen, grünen Schleier aus Moos und Farnen.
    Eine Tür gab es ebenfalls nicht mehr. Die mußte jemand mitgenommenhaben. Fensterscheiben sah ich auch nicht. Leere Vierecke ließen den Blick in das Innere zu, wo sich zwischen den feuchten Schimmelwänden die Düsternis ausgebreitet hatte.
    Cattani grinste mir zu. »Wollen Sie da wirklich eine Besichtigungstour machen?«
    »Das hatte ich vor.«
    »Wie Sie wollen.« Er wollte sich schon abwenden, als er sah, wie ich die Beretta zog. »Aha, ist das große Vertrauen jetzt vorbei?«
    »Nur zur Sicherheit.«
    »Na denn.« Er nickte und setzte sich in Bewegung.
    Weit brauchten wir nicht zu gehen, um die alte Leichenhalle zu betreten.
    Ich hatte es mir angewöhnt, bei diesen und ähnlichen Bauten immer wieder auf die Atmosphäre zu achten, die dort herrschte. Hier hatte ich es mit einem Ghoul zu tun, und ein Ghoul, das war sicher, hinterließ nun einmal Spuren, und wenn es nur der Geruch war. Am liebsten wäre mir natürlich der Schleim gewesen, den er in bestimmten Situationen absonderte, davon entdeckte ich leider nichts auf einem Untergrund.
    Manfredo Cattani gab sich lässig. Er erinnerte beinahe an einen Fremdenführer, der seinem zahlenden Gast leider klarmachen mußte, daß es sich nicht lohnte, ein gewisses Gebäude zu betreten. »Was sehen Sie, Sinclair? Sie sehen nichts.«
    Da hatte er recht.
    Es gab keine Türen mehr. Die Räume waren leer, ausgeräumt bis auf das letzte Möbelstück. Hier hatten die Diebe praktisch alles gebrauchen können.
    Ich blickte durch die an den verschiedenen Seiten liegenden Fenster über den Friedhof hinweg, sah vieles, das man als normal bezeichnen mußte, aber keine Spur von Deborah.
    »Ich sehe Ihnen an, daß Sie unzufrieden sind, Sinclair«, sagte Cattani.
    »Mein Problem.«
    »Sicher – und jetzt?«
    »Gehen wir.«
    Er grinste flüchtig. »Kleiner Spaziergang über den alten Totenacker, nehme ich an.«
    »Genau.«
    Wieder ging der Mafioso vor, als wir uns auf den Rückweg machten. Mir gefiel es nicht besonders gut, daß er sich noch in meiner Nähe befand, den Friedhof selbst hätte ich auch allein durchsuchen können. Zudem hatte er an Sicherheit gewonnen. Ich konnte mir vorstellen, daß er nur auf die Gelegenheit wartete, mich überwältigen zu können, denn Freunde waren wir bestimmt nicht geworden.
    Im offenen Ausgang blieben wir zugleich stehen.
    Auch Cattani war überrascht, denn er hatte im selben Moment das gesehen, was auch ich sah.
    Eine Gestalt, eine Frau. Und ihre brandroten Haare wehten über das Gestrüpp hinweg.
    Deborah war da!
    ***
    Der Mafioso pfiff durch die Zähne. »Das ist es, Sinclair, jetzt sind Sie gefordert. Sie ist gekommen!«
    Er hätte es mir nicht zu sagen brauchen. Noch immer stand ich hinter Cattani, schaute über seine Schulter hinweg, denn ich suchte schon jetzt nach einer günstigen Schußposition. Es wäre wunderbar gewesen, wenn ich sie mit einer Kugel getroffen und sie auch gleichzeitig vernichtet hätte.
    Aber so einfach war das nicht.
    Blitzschnell tauchte sie weg, als hätte sie uns nur zeigen wollen, daß sie da war.
    Und ebenso schnell reagierte Cattani. Er rechnete mit dem Nachlassen meiner Aufmerksamkeit, er nutzte seine Chance
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