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Deathbook Episode 1. Rowohlt E-Book Plus

Deathbook Episode 1. Rowohlt E-Book Plus

Titel: Deathbook Episode 1. Rowohlt E-Book Plus
Autoren: Andreas Winkelmann
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konnte, öffnete sich auf dem zweiten Bildschirm ein Chat-Fenster, und eine Nachricht erschien.
    Absender war ein gewisser TommyX 5 .

Anima Moribunda: Was suchst du, TommyX5.
    TommyX5: Wer bist du denn?
    Anima Moribunda: Jemand, der dir helfen kann.
    TommyX5: Was ist das für ein bescheuerter Nickname? Anima … was?
    Anima Moribunda: Das kannst du später herausfinden. Das Internet hat auf alles eine Antwort. Ich hätte auch eine für dich.
    TommyX5: Wüsste nicht, dass ich dich etwas gefragt hätte. Wie kommst du überhaupt in diesen Chat?
    Anima Moribunda: Bin Member, und deine Posts sind öffentlich.
    TommyX5: Echt! Scheiße, Mann, das wusste ich nicht.
    Anima Moribunda: Du langweilst mich, TommyX5. Sag mir, was du suchst, oder ich bin weg.
    TommyX5: Was ich suche … ich hab von diesem Video gehört.
    Anima Moribunda: Aha.
    TommyX5: Da soll man alles sehen können, ich meine, wirklich alles, ohne Schnitt oder Verpixelung oder so ’n Scheiß, ich find’s nur nicht.
    Anima Moribunda: Ich weiß, ich habe es gesehen. Ich kann dir versprechen, es ist echt krass. Mehr geht nicht.
    TommyX5: Verdammt, Alter, wo finde ich das Teil.
    Anima Moribunda: Ist nicht für jeden gedacht.
    TommyX5: Was willst du dafür?
    Anima Moribunda: Was ich will? Das verrate ich dir vielleicht später. Aber willst du das wirklich sehen?
    TommyX5: Klar, Alter, zeig her das Gemetzel, ich will jemanden krepieren sehen.
    Anima Moribunda: Dann sieh mal hier nach. Aber beeil dich. Ist nicht lange online. http://death-book.com
     

 

W ir hatten seit einigen Tagen gutes Wetter, und es hielt auch am Tag der Beerdigung an. Nur ein paar wenige weiße Wolken standen am freundlich blauen Himmel. Ich fand das unpassend. Denn in mir sah es so düster aus wie selten. Ich wünschte mir Hagel, Blitz und Donner – und einen pechschwarzen Himmel.
    «Wie schön», sagte die alte Dame neben mir, als wir die Kapelle betraten.
    Ich antwortete nicht, sah sie nur fragend an.
    «Na, das Wetter», klärte sie mich auf und wies mit dem Finger nach oben. «Es ist so, wie Kathi war. Sonnig und verspielt. Das ist doch schön … nicht wahr?»
    Das letzte Wort klang zittrig. Die alte Dame wandte ihr Gesicht ab, zog ein Taschentuch hervor, eines dieser unmöglichen Dinger aus Baumwolle, schnäuzte sich lautstark hinein und schluchzte auf.
    Ich blieb im Eingang zur Kapelle stehen und sah ihr nach. Ich kannte die Frau nicht, hatte sie nie zuvor gesehen, und doch würde sie mir ewig in Erinnerung bleiben. Denn sie hatte recht mit dem Wetter. Es passte zu Kathi. Anders durfte es gar nicht sein.
    Jemand stupste mich zaghaft von hinten an.
    «Nur Mut, auch das geht vorbei», sagte eine warme, weibliche Stimme.
    «Sie sind der Schriftsteller, oder?»
    Ich nickte. Sie zog mich mit sich, und wir suchten uns zwei Plätze in der vierten Reihe. «Und wer sind Sie?», fragte ich.
    «Astrid Pfeifenberger, Kathis Klassenlehrerin», erwiderte sie.
    Sie war sicher nicht älter als vierzig, hatte schulterlanges braunes Haar und braune Augen. Wie ich – bis auf die Haarlänge, natürlich.
    Wir ließen uns nebeneinander auf der kalten Holzbank nieder. Ihre Schulter berührte meine. Normalerweise meide ich eine so große Nähe zu fremden Personen, aber heute war sie mir nur recht. Außerdem war mir Frau Pfeifenberger sofort sympathisch.
    Nur das Rascheln von Kleidung und das Schaben von Sohlen auf dem Betonboden war zu hören, hie und da murmelte jemand etwas. Die Kapelle füllte sich, die Trauergäste suchten sich still ihre Plätze. Die Stimmung war bedrückend, einengend, sie nahm mir den Atem.
    «Kannten Sie Kathi gut?», fragte ich die Lehrerin.
    Sie sah mich von der Seite an und zuckte mit den Schultern.
    «Ich dachte schon, ja, aber … na ja, vielleicht war das auch ein Trugschluss. Mädchen in dem Alter können sehr verschlossen sein.»
    «Kathi war aber kein verschlossenes Mädchen», entgegnete ich etwas zu laut und zog damit Blicke auf mich. Ich beugte mich zu Frau Pfeifenberger hinüber. Sie roch dezent nach einem teuren Parfum. «Eher im Gegenteil, aber das müssten Sie als ihre Klassenlehrerin doch wissen.»
    Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und nickte. War ich ihr zu nahe getreten, hatte sie vielleicht sogar verletzt? Es tat mir auf der Stelle leid. Diese verdammte Wut. Sie machte mich ungenießbar.
    «Glauben Sie denn, dass Kathi Selbstmord begangen hat?», raunte ich der Lehrerin zu. Etwas Besseres fiel mir nicht ein. Mein ganzes Denken drehte
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