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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Autoren: Carol Kloeppel
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historische Stätten als ich in zehn Jahren. Nicht zu vergessen die Schnäppchenjäger, die gezielt nach deutscher Wertarbeit in Form von Weihnachtsschmuck oder Messern suchen und sogar Ausflüge nach Belgien machen, nur um dort antike Möbel zu erstehen.
    Manche Zuwanderer kommen mit der deutschen Spra-che nicht gut zurecht. Selbst nach zwei, drei Jahren kön-nen sie noch keine einfachen deutschen Sätze aussprechen und fühlen sich deswegen auch nicht wohl. Sie sind im-mer unsicher, ob sie ihr Gegenüber richtig verstanden ha-ben. Das macht den Umgang mit den Einheimischen sehr schwer.
    Ich habe in all den Jahren mehrere Anpassungsstadien durchlaufen – allerdings war ich nie so verzweifelt, dass ich mir Gedanken gemacht habe, ob ich Deutschland wieder den Rücken kehren sollte. Inzwischen habe ich mich hier gut eingelebt und bezeichne dieses Land als meine zweite Heimat. Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen, wenn irgendetwas nicht so glatt läuft, wie ich es mir vorstelle. Das fiel mir auf, als ich vor ein paar Jahren beim Einkaufen unmittelbar nach den Weihnachtsferien zufällig eine amerikanische Bekannte traf: »Typisch, in diesem Land bekommt man garantiert nicht das, was man gerade braucht. Wieso füllen die hier nach den Feiertagen nicht sofort wieder die Regale auf? In Amerika würde so etwas nie passieren. Da herrscht kein Notstand.« Das Seltsame war, dass ihre Worte durchaus ein Körnchen Wahrheit enthielten, aber dieser angebliche Notstand störte mich längst nicht mehr so sehr wie früher. Das Leben spielt sich hier eben nicht wie in Amerika mit Hochgeschwindigkeit ab. In Deutschland nimmt man sich am Wochenende und an Feiertagen Zeit für Familie und Freunde. Mag sein, dass die Arbeit liegen bleibt, aber dafür ist man zusammen und kommt auf andere Gedanken. Meiner Meinung nach ist das eine feine Sache.
    Heute ergreife ich deutlich Partei für meine Zweitheimat, wenn ich unfaire oder ignorante Kommentare höre. Wer hätte das noch vor fünfzehn Jahren gedacht, als kaum ein Tag verging, ohne dass ich meinen ganzen Frust, meine Eingewöhnungsschwierigkeiten und meine Hilflosigkeit herausließ? Ichwar wie eine Erwachsene, die mit Stützrädern fährt und sich die ganze Zeit darüber aufregt. Ein Glück, dass Peter mich damals nicht vor die Tür gesetzt hat.
    Selbstverständlich gibt es auf dieser Welt nicht den perfekten Ort. Keine Rose ist ohne Dornen. Wer in ein fremdes Land verpflanzt wird, hat anfangs allerdings gelegentlich den Eindruck, mehr Dornen abzubekommen, als er verdient hat. Dafür sammelt er jedoch wichtige Erfahrungen, vorausgesetzt, es mangelt ihm nicht am nötigen Durchhaltevermögen. Ich bin dankbar für meine innere Stärke, die mich nicht aufgeben ließ, und für meine Freunde und die angeheiratete Verwandtschaft, die mir das Gefühl gaben, in Deutschland willkommen zu sein. Ich wäre sicher nicht mehr hier ohne das unerschöpfliche Verständnis und sanfte Gemüt meines Mannes, dessen Unterstützung und Humor mir geholfen haben, auf meinem Weg nicht nur die Dornen, sondern auch die Rosen zu sehen. Deutschland ist für mich kein fremdes Land mehr. Ich fühle mich hier genauso zu Hause wie in Amerika.

1  FOLGE DEINEM ROLODEX,
WOHIN ES DICH AUCH FÜHRT
    Peter und ich sind eigentlich nur wegen meiner Adressenkartei zusammengekommen. Früher war es ziemlich in, ein sogenanntes Rolodex zu besitzen. Inzwischen wurde es von PalmPilot, BlackBerry und dem Internet abgelöst, und bald wird es wohl einen Platz im Büroartikel-Museum erhalten. Das ist im Grunde sehr schade, denn ein dickes Rolodex, prall bestückt mit Kärtchen, auf denen lauter wichtige Adressen und Telefonnummern stehen, kann den Besitzer mit Stolz erfüllen. Je dicker die Rolle, desto mehr Kontakte. Ein Rolodex spricht ohne Worte, im Gegensatz zu diesen elektronischen Mini-Spielzeugen, die zu jeder denkbaren Tages- und Nachtzeit fiepen und summen. Diese Dinger finde ich lästig und unpersönlich, und sie werden von Jahr zu Jahr kleiner, egal, wie viele Nummern man darauf abspeichert. Mein Rolodex hingegen wird niemals schrumpfen, und es wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Schon aus sentimentalen Gründen wird es nie im Museum landen.
    Im Jahr 1990, als Peter nach New York zog, um dort das erste Korrespondentenbüro von RTL plus zu eröffnen, suchte er einen Producer. Oder besser gesagt: eine Producerin. Er hatte bereits eine passende deutsche Kandidatin für die Stelle gefunden, doch sein Chef
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