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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Autoren: Carol Kloeppel
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und die Bierfässer für die Dachterrassenpartys. In diesen Fällen wurde das Treppensteigen zum Extremschleppen, das viel Training und ein starkes Herz erforderte. Ich gewöhnte mich rasch an den täglichen Aufstieg zu den Sternen, ganz im Gegensatz zu meinen Besuchern aus Amerika. Sie zählten jede einzelne Stufe und mussten immer wieder Verschnaufpausen einlegen. Die Treppe war das Hauptthema, wenn von unserer Wohnung gesprochen wurde, und sorgte vermutlich dafür, dass sich der Besucheransturm aus den USA in Grenzen hielt.
    Körperliche Bewegung ist mir persönlich immer willkommen, und der fehlende Fahrstuhl störte mich nicht annähernd so sehr wie Peters Einrichtung. Ganz besonders der futuristische italienische Raumschiffsessel in rotem Leder, das seltsam anmutende, s-förmige Sofa und der weiße Tisch mit den vier Stühlen, die so bequem waren wie die Holzbänke in einem alten Schulbus, waren mir ein Dorn im Auge. Nicht zu vergessen der ätzende Glastisch auf Rollen und die Vitrine in weißem Lack. Peter liebte seine Möbel, ich hasste sie. Ich dachte, ich sei im Haus von Captain Kirk und nicht in einer behaglichen Wohnung. Es gab kein einziges Möbelstück aus Holz.
    »Honey, hier gibt es nichts aus Holz. Zu einem gemütlichen Zuhause gehören Holzmöbel und Kissen und bequeme Sofas.«
    »Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich stehe total auf die Einrichtung. Besonders auf den neuen roten Ledersessel.«
    Aber nicht nur die Möbel, auch die Teppiche ließen sehr zu wünschen übrig. Peter hatte, wie scheinbar auch der Rest der Deutschen, keine weichen, flauschigen Teppiche. In amerikanischen Häusern dagegen findet man solche Exemplare überall. Zwar gibt es dort auch ganz schreckliche Teppiche, Schlingenware aus den Siebzigern und fleckige grüngoldene Läufer, die immer ein bisschen eklig und verwohnt aussehen. Aber wenigstens sind sie dick und weich. Mag sein, dass darin Ungeziefer nistet, doch dafür spürt man seine Fußsohlen nicht, wenn man darübergeht. Auf deutschen Teppichböden kann man Basketball spielen, so hart sind die. Selbst wenn ich so glücklich wäre, dass ich einen Purzelbaum schlagen wollte, müsste ich vorher eine Wagenladung Kissen auslegen, damit sich der Boden nicht wie Asphalt anfühlt.
    Meine erste selbst gestellte Aufgabe in meinem neuen Leben in Deutschland war also, unser Zuhause gemütlicher zu gestalten. Das war schwieriger, als ich dachte. Als Auswanderer kann es aufregend, aber leider auch problematisch sein, dass man keine Ahnung hat, wo man was kaufen kann.
    Bei meinen Einkaufstouren lernte ich schnell, dass ich auf keinen Fall nach Dingen suchen sollte, die mir aus der Heimat vertraut waren. Das wäre ein fruchtloses Unterfangen gewesen. So gut wie nichts von dem, was ich aus Amerika kannte, gab es in Deutschland. Hätte ich versucht, alles eins zu eins zu kopieren, hätte ich genauso gut den Kopf gegen einen Riesenkürbis schlagen können. Es war schlichtweg nicht möglich und auch nicht ratsam. Ich verfügte leider auch nicht über ein dickes Bankkonto, um alles importieren zu lassen, was ich mir wünschte.
    Abgesehen davon, dass ich nicht wusste, wo die richtigen Möbelhäuser zu finden waren, zählt Innendekoration nicht gerade zu meinen Stärken, und ich bin auch nicht sonderlich geschickt in handwerklichen Dingen. Allerdings kann Unzufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation ungeheure Kräfte mobilisieren, sodass ich mich ziemlich rasch an die Arbeit machte. Als ersten Schritt nahm ich mir das Schlafzimmer vor, um es grundlegend zu verändern. Es war nämlich inakzeptabel, angefangen bei der Bettwäsche.
    »Honey, ich kann in schwarzer Bettwäsche nicht richtig schlafen. Dieses ganze Schwarz im Schlafzimmer ist ziemlich deprimierend.«
    Peter antwortete darauf: »Aber was spielt das denn für eine Rolle? Es ist schön dunkel, und zum Schlafen machst du doch ohnehin die Augen zu.«
    Ich erkannte, dass meine Aufgabe nicht leicht sein würde, und konzentrierte mich zunächst auf die Fenster – getreu dem Motto: Mehr Licht! Zumindest war Peter einverstanden, Vorhänge in helleren Farben anzubringen.
    Dann kam der nächste Hammer. »Wo ist das Oberlaken?«, fragte ich in aller Unschuld.
    Bis dahin war mir unbekannt, dass die Deutschen unter einer Daunendecke schlafen. Dadurch erübrigt sich ein Oberlaken – wir Amerikaner nennen das top sheet –, das gewöhnlich fest unter die Matratze eingeschlagen wird und den Füßen praktisch keine Bewegungsfreiheit lässt. Unser
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