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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Autoren: Carol Kloeppel
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sich zügig und machten den Eindruck, als wüssten sie, was sie tun und wohin sie müssen, denn ihr großer Vorteil war, dass sie die deutsche Sprache verstanden.
    Es erfordert eine gewisse Tapferkeit, sich in den Alltag einer geschäftigen, belebten Stadt zu stürzen, wenn man keine Ahnung hat, was man tut. Man bekommt das Gefühl, alle beobachten einen und warten, dass man seine Unfähigkeit unter Beweis stellt.
    In New York hatte ich noch alles gut unter Kontrolle. Vor allem regelte ich vor meinem Umzug zwei wichtige Dinge: Erstens schloss ich eine Auslandskrankenversicherung ab – auch wenn das nicht meine eigene Idee war, sondern eine deutsche Vorschrift. Die deutschen Behörden erteilen keine einjährige Aufenthaltserlaubnis ohne den Nachweis einer Krankenversicherung. Keine Krankenversicherung, keine Einreise. Keine schlechte Regelung, wenn man bedenkt, wie sehr auch hier das öffentliche Gesundheitssystem kämpfen muss, um sich über Wasser zu halten. Zweitens meldete ich mich für einen Deutsch-Intensivkurs an, der kurz nach meiner Ankunft in Deutschland beginnen würde.
    Dieser Kurs fand am Goethe-Institut in Bonn statt. Das bedeutete, dass ich in aller Herrgottsfrühe losmusste, um mit der Bahn zum Kölner Südbahnhof zu fahren und den Zug nachBonn zu nehmen. Nach der fünfundzwanzigminütigen Zugfahrt ging ich gewöhnlich zu Fuß vom Bahnhof zum Goethe-Institut. Insgesamt war ich ungefähr eine Stunde unterwegs. Das wäre in Ordnung gewesen, wenn ich nicht gegen dieses scheußliche deutsche Herbstwetter hätte ankämpfen müssen, auf das ich nicht vorbereitet war. Ich komme zwar aus Minnesota, und extreme Wetterbedingungen sind meine Spezialität, doch der sintflutartige kalte Regen und der heftige Wind frühmorgens in der Dunkelheit waren brutal. Mein Regenschirm nützte mir gar nichts, denn der Wind stülpte ihn sofort um. Aus diesem Grund wurden wasserdichte Schuhe und Kleidung meine ständigen Begleiter.
    Die anderen Kursteilnehmer am Goethe-Institut stammten aus unterschiedlichen Ländern und Verhältnissen; es waren größtenteils Firmenangehörige, Diplomatenfrauen und Studenten. Unsere Lehrerin erwähnte, dass sie noch vor kurzem Deutsch in Griechenland unterrichtet habe. Meinetwegen hätte sie auch Griechisch in Deutschland sprechen können, da ich ohnehin nur Bahnhof verstand. Es kostete mich große Mühe, mit den anderen Kursteilnehmern Schritt zu hal-ten. Ich war das Schlusslicht. Es spielte keine Rolle, dass ich abends immer fleißig büffelte, um den Anschluss nicht zu verlieren. Offenbar hatte ich zu viele Wissenslücken in Grammatik, wenn nicht sogar zu viele Löcher im Gehirn.
    Mir erschien das seltsam, weil alle Kursteilnehmer zu Beginn einen schriftlichen und mündlichen Einstufungstest hatten ablegen müssen und anschließend in verschiedene Kurse eingeteilt wurden. Entweder hatten die Sprachspezialisten einen Fehler gemacht und mich falsch eingestuft, oder mein Gehirn war zwischen diesem Test und dem Kursbeginn geschrumpft.
    Unsere Deutschlehrerin war über meine Defizite alles andere als erfreut, und eines Tages brachte sie mich vor der gesamten Klasse zum Weinen. An jenem Morgen hatte ich mich bereits nach dem Aufstehen unwohl gefühlt, aber ich wolltekeinen Tag im Goethe-Institut versäumen – aus Angst, noch weiter zurückzufallen. Wir bekamen einen benoteten Test zurück, der meine Lehrerin in dem Glauben bestärkte, dass ich ein absolut hoffnungsloser Fall sei. In einer Lautstärke, dass es die gesamte Klasse hören konnte, machte sie mir mein Versagen klar. Ich kam mir vor wie ein unartiger Hund und kämpfte beschämt gegen die Tränen an. Warum saß ich, eine erwachsene Frau von fast dreißig Jahren, hier in einer alten Villa irgendwo in Bonn und ließ mich von dieser Frau niedermachen? Ich wusste es selbst nicht, aber mein Sprachkurs sollte sowieso bald durch Umstände unterbrochen werden, auf die ich keinen Einfluss nehmen konnte.

2  OHNE UMWEG INS
KRANKENHAUS
    Während ich mich wochenlang per Straßenbahn und Zug jeden Morgen um halb sieben zum Deutschkurs in Bonn schleppte, hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Jeder Mensch leidet hin und wieder an mysteriösen Krankheiten und Schmerzen, die besonders bei der eigenen Hochzeit, dem Geburtstag oder dann auftreten, wenn eine lang ersehnte Beförderung oder eine nette Dienstreise nach Paris anstehen. An jenem Abend stand eine Einladung zum Essen bei Peters Schwester und ihrem Mann an, und auch
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