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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Autoren: Carol Kloeppel
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Peters Eltern sollten kommen. Ein Schwiegerfamilie-Kennenlern-Abend also. Keine große Sache, bloß meine zukünftige Verwandtschaft.
    Obwohl ich starke Rückenschmerzen hatte und mir obendrein noch übel war, tat ich, was die meisten tun würden: Ich schluckte ein paar Aspirin und nahm mir vor, tapfer lächelnd das Beste aus dem Abend zu machen. Als wir bei Peters Schwester eintrafen, wurden wir sehr liebenswürdig empfangen.
    »Möchtest du ein Glas Champagner?«, bot mir Susanne, Peters Schwester, an.
    »Oh ja, gerne«, entgegnete ich, obwohl ich insgeheim befürchtete, dass schon ein Schluck von dem Schampus mich außer Gefecht setzen würde. So kam es, dass ich irgendwann zwischen Vor- und Hauptspeise »excuse me, please« sagen musste, auf die Toilette verschwand und meinen gesamten Mageninhalt von mir gab. Ich war sowohl körperlich als auchseelisch am Ende. Peters Familie dachte nun bestimmt, dass er eine Frau aus den Staaten geholt hatte, die nicht nur kein Deutsch sprach, sondern zudem unter einer schrecklichen Krankheit litt, oder, schlimmer noch, die deutsche Küche nicht vertrug.
    Doch die zukünftigen Verwandten behandelten mich nicht nur sehr liebenswürdig und herzlich, sondern bestachen an jenem Abend außerdem durch Klugheit und Einfallsreichtum. Susanne und ihr Mann Stefan sind beide Ärzte, und zufällig hatten sie ein paar Urin-Teststreifen im Haus. Andere Menschen bewahren Heftpflaster in ihrem Arzneischrank auf, aber Ärzte sind schon besser ausgestattet.
    »Hier, Carol, mach einfach diesen Becher voll, und wir testen anschließend, ob alles in Ordnung ist.«
    Ich nahm den Pappbecher samt Teststreifen an mich und verschwand beschämt im Bad. Toll, so ein Arztbesuch beim Abendessen. Zwischen Hauptgang und Nachtisch gab ich Dr. Susanne den Teststreifen zur Analyse. Sie stellte fest, dass ich tagsüber fast nichts getrunken und gegessen hatte, was den Tatsachen entsprach. Dann kam die Diagnose: eine Niereninfektion. Als Nächstes bekam ich irgendeine Medizin und legte mich anschließend hin. Ich konnte den anderen am Tisch ohnehin nicht mehr unter die Augen treten. Mein Auftritt erschien mir wie eine perfekte Anleitung zum Thema, wie man keinen besonders guten ersten Eindruck hinterlässt.
    Nach der medizinischen Versorgung durch Peters Familie hätte ich theoretisch wieder mit voller Kraft loslegen können, Deutsch zu lernen, aber dem war nicht so. Als wir wieder zurück in Köln waren, vereinbarte Peter für mich einen Termin bei einem anderen Arzt und versuchte, mir den Weg zur Arztpraxis einzutrichtern. Das war kein leichtes Unterfangen. Schließlich war ich gerade einen Monat in Deutschland, und Wegbeschreibungen an sich sind schon nicht für Menschenwie mich gemacht, sondern für Menschen mit einem gesunden Orientierungssinn.
    Trotzdem machte ich mich zur Straßenbahnhaltestelle auf, löste ein Ticket am Fahrkartenautomaten und stieg in eine Bahn. Verglichen mit der New Yorker U-Bahn, die nur einen Einheitstarif kennt, war das Ticketziehen ziemlich kompliziert, und nirgendwo waren Erklärungen auf Englisch zu finden. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich mein Ticket gleich nach dem Einsteigen zum Entwerten in den Stempelautomaten stecken musste. Ich gab mir selbst eine Eins für die Bewältigung dieser Aufgabe und nahm mit leicht bangem Gefühl und der Hoffnung Platz, an der richtigen Haltestelle wieder auszusteigen und nicht erst an der Endstation. Die Fahrt selbst verlief bis kurz vor meiner Haltestelle angenehm ruhig. Dann beschloss jedoch eine Bahnkontrolleurin, mich in eine leichte Panik zu versetzen.
    »Ihren Fahrschein, bitte.«
    »Sorry, ick sprecke nikt gut Deutsch.«
    »Ihren Fahrschein.«
    Ich vermutete, dass sie mein Ticket sehen wollte, und gab es ihr.
    »Das ist nicht richtig. Geben Sie mir Ihren Ausweis.«
    »Sorry, mein Deutsch ist nikt sehr gut. Do you speak English?«
    »Nein, sprechen Sie gefälligst Deutsch.«
    Sie nahm wohl an, dass ich nur vorgab, kein Deutsch zu verstehen. Menschenskind, wie gerne hätte ich der Kontrolleurin meine Deutschlehrerin am Goethe-Institut vorgestellt! Die hätte nämlich bestätigen können, dass ich in Deutsch eine totale Null war.
    Die Kontrolleurin schickte mich in den hinteren Teil der Bahn, und die anderen Fahrgäste sahen mich neugierig an. Das war für mich ein ganz besonders schlimmes Erlebnis, und ich war froh, dass ich nicht auch noch mit Eiern beworfen wurde.
    Wenn ich letzten Endes alles richtig verstanden habe, lag das
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