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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Autoren: Carol Kloeppel
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mit ein paar Freundinnen geschafft hatte, in einem Fast-Food-Restaurant irgendwo in Deutschland an Alkohol heranzukommen. Dummerweise hatte auch ihre aus den USA mitgereiste Lehrerin davon Wind bekommen und die Eltern der Schülerinnen informiert. Schnell verbreitete sich anschließend das Gerücht, dass Schulkinder zum Hamburger in Deutschland Bier kaufen können. Für die Eltern ein Skandal, für uns ein tol-les Abenteuer. Ich kann mich auch erinnern, dass Jill mir erzählte, wie die deutsche Gastfamilie ihr jeden Abend etwaszum Naschen aufs Kopfkissen legte. »Damit du was auf die Rippen kriegst«, lautete die Erklärung.
    Wären meine Großeltern väterlicherseits noch am Leben, würden sie sicher darüber schmunzeln, dass es ihre Enkelin nach Deutschland verschlagen hat. Sie waren nämlich schweizerischer beziehungsweise deutscher Abstammung – wie so viele Amerikaner. Im Volkszählungsbericht von 2000 gab jeder sechste Amerikaner eine deutsche Abstammung an. Das macht etwa 43 Millionen Amerikaner mit deutschen Vorfahren. Mein Vater erzählte mir, wie seine Eltern sich früher auf Deutsch unterhielten, wenn sie nicht wollten, dass die Kinder etwas mitbekamen. Irgendwann belegte er einen Deutschkurs am College, um diese Geheimsprache zu beherrschen, aber bis auf ein paar Worte hier und da habe ich ihn nie Deutsch sprechen hören. Dafür hörte er zu Hause gerne Blasmusik, auch deutsche Platten, aber das war es dann auch.
    Mir dagegen blieb nichts anderes übrig, als mit dreißig Jahren mühsam die deutsche Sprache zu lernen. In diesem Alter waren leider die meisten der leistungsfähigen Hirnzellen, über die Kinder verfügen, in meinem Kopf schon spurlos verschwunden.
    Es ist ein sehr seltsames Gefühl, in ein fremdes Land zu reisen, ohne ein Rückflugticket in der Tasche. Als Tourist hat man sowohl einen festen Termin für die Hinreise als auch für die Rückreise. Man weiß, wo und wann die Tour beginnt und endet, man hat ein sicheres Gefühl. Man weiß, dass man zu seinem vertrauten Zuhause und seinen Freunden und in die Umgebung, in der man sich wohl fühlt, zurückkehrt. Man hat einen Job, eine Familie, ein Leben. Fällt aber der Rückflug weg, bleibt ein riesiger leerer Raum ohne akuten Plan, wie das Leben weitergehen soll. Es ist ein bisschen wie ein Sprung vom Zehn-Meter-Brett, wenn man nicht weiß, wie man landet. Ein weiteres Problem hat man, wenn man die Sprache desLandes nicht beherrscht. Dazu kam in meinem Fall noch die Unsicherheit, in Deutschland nur einen einzigen Menschen zu kennen.
    Solch ein Schritt beziehungsweise Sprung ist nichts für ängstliche Gemüter, denn er erfordert Vertrauen, Liebe und einen zähen Durchhaltewillen. Mich hat zwar niemand gebeten, durch den Atlantik zu schwimmen, und doch musste ich den Großen Teich überqueren.
    Peter holte mich am Flughafen ab, als ich für immer in Deutschland landete, und wir fuhren in einem kleinen, unbequemen VW Golf zu seiner neuen Wohnung im Herzen von Köln. Er war erst vor einem halben Jahr dort eingezogen, nach seiner Rückkehr aus New York. Es handelte sich um ein schönes, modernes Penthouse, das für meinen Geschmack jedoch alles andere als gemütlich war.
    Im Gegensatz zu Firmenangehörigen, die mit ihrer Familie, ihrem gesamten Mobiliar und sonstigen irdischen Besitztümern umziehen, hatte ich sehr wenig mitgebracht. Schließlich wurde mein Umzug von keiner Firma bezahlt.
    Es gibt Menschen, die sich aus Sentimentalität von bestimmten Dingen nicht trennen können, und es gibt Menschen wie mich, die praktisch veranlagt sind. Also ließ ich eine antike Kommode, ein Schreibpult, eine kuschelige cremeweiße Couchgarnitur im kalifornischen Stil und einen geflochtenen Frühstückstisch zurück. Peters Wohnung war in kühler Lack- und Metalloptik eingerichtet, darunter ein roter Ledersessel, der aussah wie ein viereckiges Raumschiff, und eine harte anthrazitfarbene Couch.
    Mein neues Zuhause war eine Wohnung im vierten Stock ohne Fahrstuhl. Damit wurde ich direkt in die gesunde deutsche Lebensweise des Laufens und Schleppens eingeführt und lernte schnell, dass die Deutschen in diesem Punkt stoisch sind. Selbst Achtzigjährige sieht man zu Fuß einkaufen gehen und Glasflaschen im Wägelchen nach Hause karren, um dieseanschließend drei Stockwerke hochzuschleppen, ohne sich zu beklagen. Für jemanden unter dreißig sollten vier Stockwerke daher ein Klacks sein. Und es war auch okay. Bis auf die Wasserflaschen aus Glas und die Campingtische
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