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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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Mit dem Kopf unter dem Wasserstrahl würde er nicht hören, sollte jemand kommen.
Ab sofort dusche ich zuhause!, dachte er. In Rekordzeit spülte er sich den Schweiß vom Leib und trocknete sich hastig ab. Die Haare konnte er zuhause waschen. Nun schnell anziehen, und …
„Hey, Joshua.“
Leon.
Josh versuchte, sich das Handtuch mit möglichst natürlichen Bewegungen um die Hüfte zu schlingen, bevor er sich zu seinem alten Freund umdrehte. Der hatte ihn kein einziges Mal je beim vollen Namen genannt, das konnte nichts Gutes bedeuten. Leon war mit Verstärkung angerückt – zwei Typen aus dem zwölften Jahrgang und Nico. Mit Nico hatte Josh sich ebenfalls immer gut verstanden, sie hatten oft zu dritt etwas unternommen. Waren ins Kino und Fußballspielen gegangen … Mit wild klopfendem Herzen wurde ihm klar, dass auch diese Zeiten vorbei waren. Nico war ein netter Kerl, solange man ihn nicht verärgerte. In mancherlei Hinsicht ein wenig starrsinnig und unflexibel, seine konservative Grundeinstellung und ziemlich negative Meinung über Ausländer und Nicht-Christen hatte Josh häufig verunsichert. Trotzdem, Nico war sein Freund.
Genauso wie Leon.
Er hatte beide verloren.
Die vier standen Schulter an Schulter, die Arme verschränkt, die Gesichtsausdrücke zwischen Verachtung und Amüsiertheit schwankend. Sie blockierten den Ausgang. In den Duschraum zu fliehen würde wenig helfen. Die Fenster befanden sich ungefähr eineinhalb Meter über dem Boden, genauso wie hier in der Umkleide.
Das ist nicht gut, oh, das ist gar nicht gut …
„Hi Leon“, sagte Josh schließlich. Er versuchte ruhig zu klingen. Abzuschätzen, was sie von ihm wollten. Es würde wohl etwas schlimmer werden als bloß Gelächter und Schubsen. Aber wie viel schlimmer, das war die Frage.
„Du hast dir mächtig Zeit gelassen. Wir hatten draußen auf dich gewartet, um dir zu deinem gewonnenen Spiel zu gratulieren. Als du nicht gekommen bist, wollten wir mal nachsehen, ob alles okay ist.“ Leon lächelte kühl. Seine dunkelbraunen Haare waren mit Gel und viel Geduld so gestylt, dass sie stets aussahen, wie frisch vom Wind zerzaust. Das fand er cool. Sein Blick aus dunklen Augen wirkte jedenfalls eisig.
„Nun? Wie geht es dir?“, fragte er drohend.
„Mir geht’s prima“, quetschte Josh mühsam hervor.
„Uns nicht. Mir zumindest gar nicht. Gero und Jannik glauben mir nicht, dass ich dich nicht gefickt habe.“ Leon wies auf die beiden Blondschöpfe, die ein wenig abseits von ihm und Nico standen.
„Tja. Das hast du nicht. Okay?“ Josh schluckte trocken. Es war, als hätte er eine ansteckende Krankheit, und jeder wollte sich überzeugen, dass er sich nichts von ihm weggeholt hatte.
„Gar nichts ist okay“, zischte Leon und trat dicht auf ihn zu. „Wie viele Jahre hast du mir auf den Arsch gestarrt? Wie oft hast du mir auf den Schwanz gestarrt, wenn wir irgendwo zusammen gepinkelt haben oder Schwimmen gegangen sind?“
„Ich habe nie …“, begann Josh verzweifelt. Ein Boxhieb gegen die Brust trieb ihn mehrere Schritte zurück. Es tat nicht einmal allzu sehr weh. Doch es war das Startsignal für die anderen. Josh ging zu Boden, krümmte sich unter Schlägen und Tritten zusammen, versuchte, seinen Kopf zu schützen. Er schrie vor Schmerz und Todesangst. Jemand hielt ihn nieder, von allen Seiten prügelten und traten sie auf ihn ein. Irgendwo unter der Wolke aus Panik und Atemnot, Tränen und Geschrei wurde ihm bewusst, dass die vier sich zurückhielten. Sie trafen ihn zumeist am Rücken, Armen und Beinen, nicht dort, wo es ihn gefährlich verletzen könnte. Tiefer als das Brennen und dumpfe Stechen seiner geprellten Muskeln ging der Verrat. Er hatte Leon vertraut. Er hatte ihn wie einen zweiten Bruder geliebt und bewundert. Sie waren sich so nah gewesen, wie sich Freunde nur kommen konnten. All das zerbrach unter Leons Schlägen und wüsten Beschimpfungen.
Als sie endlich aufhörten, schien ein ganzes Zeitalter vergangen zu sein. Stöhnend blieb Josh liegen, wo er war, in embryonaler Schutzstellung. Ihm wurde bewusst, dass er weinte. Und dass er völlig nackt war, sein Handtuch war verloren gegangen. Heftige Scham gesellte sich zu Schmerz, innerer Taubheit und eisiger Furcht. Josh hatte nicht gewusst, dass man so viel auf einmal empfinden konnte. Sollte er nicht unter Schock stehen? Wie gerne hätte er jedes Denken und Fühlen aufgegeben!
„Jetzt wisst ihr’s. Ich hatte nie was mit diesem dreckigen Homo und jeder, der was andres sagt, ist
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