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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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Papa.“
„Hast du einen … einen …“
„Nein, ich habe keinen Freund. Kann ich noch etwas Kartoffelgratin haben, bitte?“
Er hatte hingenommen, dass seine Eltern offenbar vormittags in seinem Zimmer herumgewühlt hatten und sich beglückwünscht, dass er das Tagebuch auf seinem Laptop noch in der Nacht gelöscht hatte. Kondome, Gleitgel, Sextoys oder Hochglanzbilder von scharfen Kerlen besaß er sowieso nicht, erst recht keine Schwulenpornos. Nicht einmal schwule Romane. Zu riskant, in der Stadt hätte er so etwas nicht unauffällig kaufen können, Einkaufsaktivitäten via Internet ließen sich viel zu leicht nachverfolgen. Die Kindersicherung, die ihn im Internet von jugendgefährdenden Seiten fernhielt, war nie entfernt worden und danach fragen wäre auffällig gewesen. Wie alle anderen auch hatte seine Familie ihm geglaubt, wenn er vage Andeutungen von Mädchen machte, die er toll fand. Mittels Erröten – die Panik, dass man ihm die Lüge von der Nase ablas, genügte dafür – und mit peinlich berührtem Grinsen hatte er Leon vorgegaukelt, er wäre mit einer Bekannten aus dem Tanzkurs im Bett gelandet. Saskia. Sie war ihm nachgelaufen, hatte ihm offensive Emails geschrieben, bei denen er heiße Ohren bekommen hatte, was selbst seine Eltern davon überzeugte, dass er ein normaler heterosexueller Junge war. In Wahrheit geriet er bei dem Gedanken an Saskia in Panik. Ihre kaum verhüllten Andeutungen, zu was sie alles im Bett bereit war … Nein, er hatte weder mit Jungen noch Mädchen jemals Erfahrungen gleich welcher Art sammeln können, wofür er jetzt dankbar war. Dass er jahrelang die Unterwäschemodels in den Katalogen seiner Mutter angehimmelt hatte, konnte ihm niemand nachweisen. Weitere Fragen hatten seine Eltern wohl nicht zu stellen gewagt und ihre schlimmsten Ängste waren hoffentlich vorläufig besänftigt.
Abends dann der große Auftritt von Sascha, seinem großen Bruder. Sascha war stets Joshs Held gewesen. Drei Jahre älter als er, wahnsinnig gut in der Schule, sportlich, beliebt und – meistens – ein netter Kerl. Sie hatten gestritten, sie hatten sich geprügelt, aber sobald es hart auf hart kam, war Sascha für ihn da gewesen. Sein Bruder hatte ihn verteidigt und beschützt, wenn es zu Rempeleien auf dem Schulhof oder auf der Straße gekommen war. Sascha hatte ihn durch die Oberstufenmathematik gerettet, seine Geheimnisse bewahrt und ihn auf seinem Motorrad mitgenommen.
Als an diesem Abend die Tür aufflog und Sascha wie ein Racheengel angerauscht gekommen war, da hatte Josh gewusst, dass es damit nun vorbei sein würde.
„Sag, dass das nicht wahr ist, Josh!“
„Würde es denn helfen, wenn ich lüge?“
„Ist dir eigentlich klar, was du uns damit antust? Was du MIR damit antust? Kannst du dir vorstellen, was ich die letzten Stunden durchmachen musste? Ich hatte ungefähr zehntausend Anrufe, glaub nicht, ich hätte an meine Vorlesungen denken können! Sämtliche Leute wollen wissen, ob du einen festen Freund hast. Ob du cruisen gehst oder dich in Darkrooms herumtreibst. Und vor allem natürlich, ob ich auch so einer bin.“
Josh hatte den Ausbruch stumm über sich ergehen lassen, den Kopf dabei gesenkt, um den Zorn auf Saschas Gesicht nicht sehen zu müssen. Die Verachtung in den dunkelbraunen Augen, die sie beide von ihrer Mutter geerbt hatten. Es tat so weh … Sascha hatte ihn gepackt und durchgeschüttelt, ihn mit Vorwürfen für etwas überhäuft, an dem Josh schuldlos war und schließlich schnaubend den Raum verlassen. Ihn zu fragen, was cruisen so ganz genau war, hatte Josh nicht gewagt. Es reichte, sich als Homo zu outen, als naiv und dumm wollte er nicht noch zusätzlich dastehen.
     
In diesem Stil war es weitergegangen. Bis heute. Im Spiel war er einer von ihnen gewesen, sie hatten ihn angefasst wie sonst auch, hatten ihn behandelt als würde er weiterhin vollkommen normal dazugehören. Jetzt allerdings …
Josh wartete, bis die anderen aus der Dusche herauskamen. Er versuchte es nicht durch stundenlanges Wühlen in sämtlichen Taschen zu überspielen, sondern saß still mit seinem Handtuch und Duschzeug auf der Bank im Umkleideraum. Er wollte keine blöden Kommentare. Er wollte keine feindseligen Blicke. Er wollte seine Ruhe.
„Bis morgen, Josh. War’n tolles Spiel“, sagte Momo, alias Maurice, der als Letzter ging. Unbehaglich zog Josh sich aus und betrat den Duschraum. Es war seltsam, hier allein zu sein. Noch nie hatte er sich so verletzlich gefühlt, so angreifbar.
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