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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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Tritt, gleichgültig von wem.
     

5.
     
Tom zögerte. Er hatte den gesamten gestrigen Tag mit sich gerungen, ob er das wirklich wagen sollte. Noch immer war er sich nicht sicher, vielleicht sollte er lieber nach Hause zurückgehen. In seine winzige Einzimmerwohnung, die er mit Gelegenheitsjobs und der monatlichen Unterstützung seiner Eltern finanzierte. Er könnte lernen. Zeichnen. Am PC hocken. Die Nachbarn mit seiner Gitarre ärgern. Oder er könnte sich endlich überwinden und die verdammte Klingel drücken. Es war schon früher Nachmittag, er würde also die glückliche Sonntagsidylle nicht zerstören, hoffte er. Und klingelte.
Ein junger Mann öffnete, etwas älter als er selbst. Die dunkelbraunen, widerspenstigen Haare, die Teddybäraugen und der ebenmäßige Schnitt des länglichen Gesichts wiesen ihn eindeutig als Joshs älteren Bruder aus.
„Ja?“
Tom wurde gemustert. Intensiv und unfreundlich. Da er selbst eine Stufe niedriger stand, wirkte Joshs Bruder wie ein Riese.
„Ist Josh da?“, fragte er, bevor ihn der Mut verlassen konnte.
Der Blick seines Gegenübers wurde noch finsterer.
„Bist du sei… ein Freund?“
Die Geringschätzigkeit des Tonfalls machte klar, dass Tom es bereuen würde, diese Frage zu bejahen. Ein wenig Trotz regte sich in ihm. Er hatte normalerweise keine Schwierigkeiten mit der Ablehnung der Leute, die ihn für einen gestörten Freak hielten, für einen Satansanbeter oder suizidgefährdeten Psychopathen, der möglicherweise Amok laufen könnte. Hier spielten allerdings andere Zwischentöne mit.
Der junge Mann stand wie ein Bollwerk in der Tür und starrte auf ihn nieder.
„Nein.“ Tom schüttelte betont ruhig den Kopf. „Ich bin mit Josh wegen dieses Referates in Chemie verabredet.“ Er wies auf die Tasche, die er unter dem Arm geklemmt hielt. Ohne Rucksack ging er praktisch nie aus dem Haus, er hatte immer Zeichenutensilien und Notizbücher dabei. „Thomas Schneider“, fügte er verspätet hinzu.
„Oh.“ Der Widerstand bröckelte ein wenig, aber noch war der Weg nicht frei.
„Josh ist krank, ich weiß nicht, ob er …“ Der junge Mann zögerte, dann trat er beiseite. „Ich frag ihn mal, Moment.“
Geduldig wartete Tom in der offenen Tür, ohne das Haus zu betreten. Noch konnte er fliehen. Vielleicht wollte Josh ihn nicht sehen oder reagierte falsch auf die Lüge mit dem Referat. Vielleicht …
„Komm rein.“
Joshs Bruder winkte ihm von der Treppe aus zu, die direkt neben der Haustür ansetzte. Es war ein hübsches Haus. Sauber, ordentlich. Helle Holzpaneele und zeitloses Design. Türen, Fenster, die Flurausstattung sprachen von guter Qualität. Die Treppenstufen bestanden aus schlicht wirkenden Marmorplatten, für die man ein Vermögen hinlegen musste. Toms Mutter war Innenarchitektin gewesen, bevor sie sich ganz seiner optimalen Förderung und Erziehung widmen wollte und den Job aufgegeben hatte. Trotzdem konnte sie nie an einer unpassend gestrichenen Haustür vorbeigehen, ohne sich darüber zu erregen, weshalb er mehr über solche Dinge wusste, als ihm lieb war. Hier wohnten Leute mit Geld, die Geschmack besaßen und nicht protzen wollten. So ähnlich sah es in Toms Elternhaus auch aus.
„Da drüben.“ Der junge Mann führte ihn hoch, wies auf eine Tür und verschwand selbst in einem anderen Raum.
Nun denn.
Tom klopfte kurz und trat schnell ein, bevor er es sich anders überlegen konnte.
Joshs Zimmer war eher klein, dafür gemütlich eingerichtet. Viele Bücher, alles war hell und freundlich. Einige Pokale, Medaillen, Urkunden und Poster von Handballstars zeigten die Vorliebe des Bewohners. Josh lag auf dem Bett und blickte ihm verunsichert entgegen.
„Hi“, murmelte er, richtete sich mühsam auf und wies Tom einen Platz auf einem dunkelblauen Sitzsack.
„Hi.“ Tom ließ sich fallen. Es war angenehm, wie die Füllung sich seinem Körper anpasste. Er wusste nichts zu sagen. Darüber hatte er die ganze Zeit nachgedacht, was wollte er sagen? Was wollte er überhaupt hier, außer sich zu vergewissern, dass es Josh gut ging? So verkrampft und blass, wie er dasaß, waren ihm die Schmerzen von der Nasenspitze ablesbar. Er strahlte Hilflosigkeit aus. Verletzlichkeit. Es war wie ein Misston in der Harmonie, die Joshs Gesicht kennzeichnete.
Was sag ich ihm bloß? Irgendwas muss ich sagen!
Es war schließlich Josh, der sich räusperte und verlegen murmelte:
„Wir sollten Bücher bereitlegen und so tun, als würden wir wirklich an einem Referat arbeiten. Meine Mutter
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