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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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sich erkältet habe. Seine Mutter glaubte ihm das mit einem Blick in sein vom Weinen aufgequollenes Gesicht sofort, brachte ihm Tee, Zwieback, Hühnersuppe und die üblichen Ratschläge, Hilfsangebote und Mitgefühl. Sie wirkte besorgt, merkte sicherlich, dass da mehr war als nur eine kleine Erkältung, ließ sich aber abwimmeln. Die meiste Zeit über lag er still im Bett. Arme, Beine und Hüften waren mit riesigen schwarz-violetten Blutergüssen übersät, die er unter einem hochgeschlossenen Jogginganzug versteckte. Zum Glück kehrte er häufig mit Blessuren aus den Handballturnieren heim, darum fragte seine Mutter nicht lange, als er von verstauchtem Knöchel und aufgeschürften Knien sprach, sondern brachte ihm alles, was er brauchte, und mehr, als notwendig war. Nur das Wie machte Probleme – Josh wusste kaum, wo er die Heparin-, Panthenol- und Arnikasalben sowie die Kältepackungen zuerst benutzen sollte. Alles tat weh, Körper, Geist und Seele.
Es wurde nicht besser, als sein Vater zu ihm kam und sich verlegen räusperte.
„Haben wir bereits darüber gesprochen, was du nach dem Abitur so insgesamt mit deinem Leben vorhast? Wir wollen dich selbstverständlich nicht vor die Tür setzen, aber möglicherweise wirst du ausziehen müssen.“
Eigentlich hatte Josh geplant, an der nah gelegenen Universität Journalismus zu studieren und in der Zwischenzeit wie Sascha zu Hause wohnen zu bleiben, um Geld zu sparen. Sein Vater wusste das ganz genau, allein schon, weil sie wochenlang über seine geringen Aussichten diskutiert hatten, als Journalist gut verdienen zu können. Joshs Erklärungen, dass er es liebte zu schreiben und bei der Mitarbeit an der Schülerzeitung viele Erfahrungen sammeln konnte, waren wertlos gewesen. Erst, als er versichert hatte, sich von der Boulevardpresse fernzuhalten und sich auf seriöse Themen spezialisieren zu wollen, hatte sein Vater es akzeptieren können.
„Es gibt mehr als unsere kleine Universität. Besseres. Wenn du etwa in Berlin studierst, würde das deine späteren Aussichten gewaltig steigern, Josh.“
„Würdest du es lieber haben, wenn ich weggehe?“ Sein Vater zog ein Taschentuch und tupfte sich den Schweiß von der Stirn.
„Nein! Nein, es ist bloß … Ich hatte heute ein schwieriges Telefonat mit meinem Parteivorsitzenden …“
Wer ein hohes Tier im Stadtrat war, brauchte ein Parteibuch, das war klar. Die Partei seines Vaters war für ihr wertkonservatives Programm bekannt. Familie, Arbeit, Kirche. Wilde Ehen, Abtreibungen, Kirchenaustritt, all das wurde innerparteilich nicht toleriert.
Womit klar war, warum sein Vater sich hier zappelnd herumdrückte und lieber den Teppich studierte, als Josh in die Augen zu schauen.
„Ein schwuler Sohn macht sich schlecht auf der Karriereleiter?“, fragte Josh leise.
„Ja, hm nein, es ist bloß … Den meisten ist es ja egal, bloß, da sind so einige, die wollen solche – Menschen … Menschen wie dich … nicht akzeptieren. Sie denken, dass ich dich einem Psychologen vorstellen sollte, damit du … nun ja, Hilfe bekommst, deine geistige Verwirrung zu überwinden …“
„Und was hast du dazu gesagt?“ Es war unerträglich mit anzusehen, wie sein Vater sich wand. Wie er das Papiertaschentuch in kleine Stücke fetzte, anscheinend, ohne es zu bemerken.
„Du bist mein Sohn, ich will das Beste für dich“, murmelte er unglücklich. „Vielleicht wäre es ja kein Fehler. Also, mit einem Profi zu reden. Nicht, weil ich glaube, du wärst geistig verwirrt, aber verwirrend ist die Situation an sich doch bestimmt, und es würde dir sicher helfen, wenn du die Probleme mit jemandem diskutieren könntest, der das ganz neutral sehen kann.“
Tausende möglicher Antworten schossen Josh durch den Sinn. Zahllose Varianten von ich brauch keinen Seelenklempner, damit deine verknöcherten Parteifuzzis sich einkriegen . Viele Fragen der Sorte: So ganz tief in deinem Inneren, glaubst du da auch, ich wäre geistig krank, nur weil ich nicht mit Frauen ins Bett gehen will? Wie konnte ein solch intelligenter Mann meinen, Homosexualität sei heilbar? Geschweige denn, dass all diese bedauernswert verwirrten Homos überhaupt geheilt werden wollten.
„Ich denk drüber nach“, sagte Josh schließlich. Diese Antwort war nicht perfekt, aber gut genug, dass sein Vater erleichtert aufstehen und ihn in Ruhe lassen konnte.
Völlig erschlagen blieb Josh liegen. Er starrte an die Zimmerdecke, ließ Nightwish in Dauerschleife laufen und wartete auf den nächsten
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