Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
rechtzeitig. Weißt du, bei wie vielen Leuten ich wegen dieser Hochzeit den Gefallen einfordern musste, den sie mir schuldeten?«
    Der untergeordnete Offizier gab die Eierschachtel einem der jungen Soldaten und vermerkte etwas auf seiner Liste. »Ein weiteres Dutzend Eier.«
    Ich sah dem Soldaten nach, der mit der Schachtel wegging.
    »Sie haben schon Eier?«
    Der untergebene Offizier warf einen Blick auf die Liste. »Genau vier Dutzend jetzt.«
    »Je mehr, desto besser«, sagte der Oberst. »Jetzt können wir Fischpasteten machen. Geben Sie dem Jungen eine Lebensmittelkarte Klasse A. Ach was, geben Sie ihm zwei; soll er ruhig auch die von seinem Freund haben.«
    Der Offizier zog die Augenbrauen hoch, beeindruckt von dieser Großzügigkeit. Er zog zwei Lebensmittelkarten aus einer kleinen Ledermappe und unterschrieb sie. Er holte ein Stempelkissen aus der Jackentasche, stempelte die Karten und reichte sie mir dann.
    »Damit machst du dich sicher überall beliebt«, sagte er.
    Ich starrte auf die Karten in meiner Hand. Jede gab mir ein Anrecht auf die Rationen eines Offiziers. Ich blickte mich im Weinkeller um. Kolja hätte gewusst, welche Lagen die Dolgorukows bevorzugten, welche Weißweine sie zum Stör wählten, welche Rotweine am besten zu Wild passten. Und wenn er es nicht gewusst hätte, dann hätte er es erfunden. Ich sah zu, wie Soldaten Säcke voll Reis und lange Ketten fetter Würste die Treppe hinauftrugen.
    Als ich mich zum Obers t umdrehte, blickte er mir gera dewegs in die Augen. Auch diesmal verstand er meinen Gesichtsausdruck.
    »Das, was du jetzt gern sagen würdest, solltest du besser für dich behalten.« Er lächelte und knuffte meine Wange mit so etwas wie echter Zuneigung. »Und das, mein Freund, ist das Geheimnis, um lange am Leben zu bleiben.«
    27
    Am Abend des 27. Januar 1944 feuerten über dreihundert Kanonen eine einstündige Salve weißer, blauer und roter Raketen ab, dass die sprühenden, funkelnden Schweife ganz Leningrad erhellten und die russischen Nationalfarben sich in der goldenen Kuppel der Isaaks-Kathedrale und in den zweitausend Fenstern des Winterpalastes spiegelten. Die Belagerung war vorbei.
    Ich stand auf dem Dach von Sonjas Wohngebäude, wo ich mit ihr und einem Dutzend weiterer Freunde schlechten ukrainischen Wein trank und Goworow und Merezkow hochleben ließ, die Generäle, die die deutschen Linien durchbrochen hatten. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits seit über einem Jahr in der Armee. Meine Vorgesetzten hatten mich taxiert, entschieden, dass ich nicht zum Infanteristen taugte, und mich zur Krasnaja Swesda abkommandiert, der Zeitung der Roten Armee. Im ersten Jahr bestand meine Aufgabe zunächst darin, ein Team erfahrener Journalisten zu unterstützen, das die Front bereiste, um Anekdoten und Aussprüche von Soldaten in den verschiedenen Einheiten, die wir besuchten, zusammenzutragen. Ich hatte ein Gewehr, benutzte es aber nie. Dass mir ein halber Finger fehlte, störte mich nicht beim Tippen. Schließlich wurde ich befördert und begann selbst Berichte an die Krasnaja Swesda zu schicken, wo ein Redakteur, den ich nie kennengelernt habe, meine Texte in handfeste, patriotische Prosa umwandelte. Mein Vater hätte das Ganze gehasst.
    In der Nacht, als die Belagerung endete, nachdem wir, droben auf Sonjas Dach, zu viel Wein getrunken und uns die Kehle wund geschrien hatten, küsste ich sie auf den Mund. Ein Kuss, der mehr als freundschaftlich und weniger als erotisch war. Als wir uns voneinander lösten, lächelnd, um unsere Verlegenheit zu kaschieren, mussten wir beide an Kolja denken. Ich glaube, er wäre begeistert gewesen, wenn er mich ein hübsches Mädchen hätte küssen sehen, hätte mir Anweisungen zur Verbesserung meiner Technik gegeben und mehr Nachdruck verlangt - egal, wir dachten an ihn, und wir küssten uns nie wieder auf diese Art.
    Einige Tage nachdem ich mit den Eiern für den Oberst nach Piter zurückgekehrt war, erfuhr ich, dass das Kirow erst Stunden nach der Bombardierung eingestürzt war. Die meisten der Bewohner hatten überlebt, auch Vera Ossipowna und die Antokolski-Zwillinge. Irgendwann lief ich ihnen allen über den Weg, aber der Winter hatte jeden von uns verändert, und wir hatten uns wenig zu sagen. Ich hatte gehofft, dass Vera sich ein bisschen schuldig fühlen würde, weil sie, ohne sich umzublicken, weggerannt war, nachdem ich sie am Hoftor gerettet hatte, aber sie erwähnte es mit keinem Wort, und ich sprach sie nicht darauf an. Sie hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher