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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen
Autoren: Ian Rankin
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er. »Das Auto steht da drüben.«

Nachdem sie ihre Aussage gemacht hatte, bestand Rebus darauf, sie nach Hause zu fahren. Er ließ
sie mehrere Straßen vor ihrem Ziel aussteigen, kannte aber jetzt ihre Adresse.
»Nicht dass ich schwören könnte, in den nächsten zehn Jahren noch dort zu wohnen«, hatte sie
gesagt. Es spielte keine Rolle. Er hatte ihr seine Telefonnummern vom Büro und von zu Hause
gegeben. Er war sicher, dass sie sich melden würde.
»Eine Sache noch«, sagte er, als sie die Autotür zuwerfen wollte. Sie beugte sich in den Wagen.
»Ronnie hat immer wieder gerufen: Sie kommen. Wen, glauben Sie, hat er damit
gemeint?«
Sie zuckte die Achseln. Dann erstarrte sie, weil sie die ganze Szene wieder vor sich sah. »Er war
völlig fertig, Inspector. Vielleicht meinte er die Schlangen und Spinnen.«
Ja, dachte Rebus, als sie die Tür zuwarf und er das Auto anließ. Aber vielleicht meinte er auch
die Schlangen und Spinnen, die ihn mit dem Zeug versorgt hatten.
Zurück in der Great London Road Station fand er eine Nachricht, dass Chief Superintendent Watson
ihn sprechen wollte. Rebus rief im Büro seines Chefs an.
»Wenn's recht ist, komm ich jetzt gleich vorbei.«
Die Sekretärin sah nach und bestätigte, dass es in Ordnung wäre.
Rebus hatte schon häufiger mit Watson zu tun gehabt, seit der Superintendent aus dem hohen Norden
nach Edinburgh versetzt worden war. Er schien ganz vernünftig zu sein, wenn auch ­ nach Meinung
einiger Leute ­ ein bisschen bäuerlich.
Auf der Wache kursierten bereits zahlreiche Witze wegen seiner Herkunft aus Aberdeen, und man
hatte ihm den Spitznamen Farmer Watson verpasst.
»Kommen Sie rein, John, kommen Sie rein.«
Der Superintendent hatte sich kurz hinter seinem Schreibtisch erhoben, um Rebus mit einer vagen
Handbewegung einen Stuhl anzubieten. Rebus bemerkte, dass der Schreibtisch vollkommen aufgeräumt
war, die Akten ordentlich in zwei Ablagekörben gestapelt.
Vor Watson lag nichts weiter als eine dicke, neu aussehende Aktenmappe und zwei frisch gespitzte
Bleistifte. Neben der Aktenmappe stand ein Foto von zwei kleinen Kindern.
»Meine beiden«, erklärte Watson. »Sie sind inzwischen schon ein wenig älter, können einen aber
immer noch ganz schön auf Trab halten.«
Watson war ein kräftiger Mann mit einem Brustkorb wie ein Fass. Er hatte eine rötliche
Gesichtsfarbe und dünne Haare, die an den Schläfen silbrig waren. Ja, Rebus konnte sich gut
vorstellen, wie er mit Galoschen und Anglerhut durch das Moor stapfte, seinen Collie treu an
seiner Seite.
Aber was wollte er von Rebus? War er auf der Suche nach einem menschlichen Collie?
»Sie waren heute Morgen bei diesem Drogentoten.« Es war eine reine Feststellung, deshalb machte
Rebus sich nicht die Mühe zu antworten.
»Eigentlich wäre Inspector McCall dran gewesen, aber er war... nun ja, wo auch immer er
war.«
»Er ist ein guter Polizist, Sir.«
Watson starrte ihn an, dann lächelte er. »Es geht hier nicht um die Qualitäten von Inspector
McCall. Deshalb sind Sie nicht hier. Doch dass Sie in dem Haus waren, hat mich auf eine Idee
gebracht. Sie wissen vermutlich, dass ich mich für das Drogenproblem in dieser Stadt
interessiere. Die Statistiken finde ich ehrlich gesagt erschreckend. So etwas kenne ich von
Aberdeen nicht, abgesehen von einigen Fällen in der Ölindustrie. Doch da waren es hauptsächlich
die Führungskräfte, die sie aus den Vereinigten Staaten eingeflogen haben. Die haben ihre
schlechten Gewohnheiten mitgebracht. Aber hier...« Er schlug die Aktenmappe auf und begann,
einige Seiten zu überfliegen. »Hier, Inspector, das ist der Hades. Schlicht und
ergreifend.«
»Ja, Sir.«
»Sind Sie ein Kirchgänger?«
»Sir?« Rebus rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.
»Das ist doch wohl eine klare Frage, oder? Gehen Sie in die Kirche?«
»Nicht regelmäßig, Sir. Aber manchmal schon.« Wie gestern, dachte Rebus. Und erneut hatte er das
Bedürfnis zu fliehen.
»Irgendwer hat mir das erzählt. Dann sollten Sie doch wissen, wovon ich rede, wenn ich sage, dass
diese Stadt allmählich zum Hades wird.«
Watsons Gesicht war noch röter als sonst. »Das Krankenhaus muss Süchtige behandeln, die gerade
mal elf oder zwölf sind. Ihr eigener Bruder sitzt wegen Drogenhandel im Gefängnis.« Watson
blickte erneut auf, vielleicht weil er erwartete, dass Rebus beschämt aussehen würde.
Aber Rebus' Augen glühten, und seine Wangen waren rot, doch nicht vor Verlegenheit.
»Bei allem
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