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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen
Autoren: Ian Rankin
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klang sachlich.
»Blutergüsse auf dem Körper. Ziemlich viele. Ergebnis eines heftigen Sturzes oder irgendeiner
körperlichen Auseinandersetzung. Der Magen war fast völlig leer. HIV negativ, das will schon was
heißen. Was die Todesursache angeht, nun ja...«
»Das Heroin?«, soufflierte Rebus.
»Mhm. Zu fünfundneunzig Prozent verunreinigt.«
»Tatsächlich?« Rebus horchte auf. »Womit ist es denn versetzt worden?«
»Daran arbeiten wir noch, Inspector. Aber es könnte irgendwas zwischen zermahlenem Aspirin und
Rattengift sein, mit eindeutiger Betonung auf Schädlingsbekämpfung.«
»Sie sagen also, es war tödlich?«
»O ja, absolut. Wer auch immer das Zeug verkauft hat, der verkaufte Euthanasie. Wenn noch mehr
davon im Umlauf ist... das wage ich mir gar nicht vorzustellen.«
Mehr davon im Umlauf! Bei dem Gedanken wurde Rebus heiß und kalt. Wenn nun jemand durch
die Gegend lief und Junkies vergiftete?
Aber warum dann dieses eine Päckchen mit dem sauberen Stoff? Eins sauber und eins so versaut, wie
es nur sein konnte. Das ergab keinen Sinn.
»Danke, Doctor Enfield.«
Er legte das Telefon auf die Sessellehne. Zumindest in einer Hinsicht hatte Tracy Recht gehabt.
Sie hatten Ronnie ermordet. Wer auch immer »sie« waren. Und Ronnie hatte es gewusst, hatte
es gewusst, sobald er den Stoff gespritzt hatte... Nein, Moment mal... Es gewusst, bevor er den Stoff gespritzt hatte? War das möglich? Rebus musste den Dealer finden. Musste
herausfinden, warum Ronnie zum Sterben auserwählt worden war. Ja geradezu geopfert worden
war...

Es war Tony McCalls alte Heimat. Na schön, er war irgendwann von Pilmuir weggezogen, hatte dann
eine erdrückende Hypothek erworben, die manche Leute ein Haus nannten. Es war sogar ein schönes
Haus. Das wusste er, weil seine Frau es ihm einredete. Es ihm ständig einredete.
Sie konnte nicht verstehen, warum er so selten dort war. Schließlich war es, wie sie sagte, auch
sein Zuhause.
Zuhause. Für McCalls Frau war es ein Palast. »Zuhause« klang ihr zu dürftig. Und ihre beiden
Kinder, ein Sohn und eine Tochter, waren so erzogen worden, dass sie auf Zehenspitzen durch das
Haus schlichen, keine Krümel oder Fingerspuren hinterließen, keine Unordnung machten und nichts
zerbrachen. McCall, der mit seinem Bruder Tommy eine ziemlich wüste Kindheit verbracht hatte,
fand das unnatürlich. Seine Kinder waren voller Angst und gleichzeitig sehr behütet aufgewachsen
­ eine üble Kombination. Jetzt war Craig vierzehn, Isabel elf. Beide waren schüchtern,
introvertiert, vielleicht sogar ein bisschen seltsam. McCalls Träume von einem Profi-Fußballer
als Sohn und einer Schauspielerin als Tochter waren wie eine Seifenblase zerplatzt. Craig spielte
viel Schach, betrieb aber keine Sportarten, bei denen man sich körperlich anstrengen musste. (Er
hatte bei einem Schachturnier in der Schule eine kleine Plakette gewonnen. Danach hatte McCall
versucht, das Spiel zu lernen, aber versagt.) Isabel strickte gern. Sie saßen oft in dem allzu
perfekten Wohnzimmer, das ihre Mutter gestaltet hatte, und sagten kaum ein Wort.
Nur das Klappern der Stricknadeln und das leise Ziehen der Schachfiguren war zu hören.
War es ein Wunder, dass er so selten zu Hause war?
Also war er hier in Pilmuir, ohne besondere Absicht, ging nur spazieren. Wollte einfach ein
bisschen Luft schnappen. Von seiner ultramodernen Siedlung ­ lauter einzeln stehende Schuhkartons
mit Volvos davor ­ musste er ein Stück Ödland überqueren und dann dem Verkehr auf einer belebten
Hauptstraße ausweichen. Anschließend ging es am Sportplatz einer Schule vorbei und zwischen
Fabrikgebäuden hindurch, bis er schließlich in Pilmuir war. Doch die Mühe lohnte sich.
Er kannte diesen Ort, wusste, was für Geschöpfe er hervorbrachte.
Schließlich war er eines von ihnen.
»Hallo, Tony.«
Er wirbelte herum, weil er die Stimme nicht erkannte und Ärger witterte.
Da stand John Rebus, die Hände in den Taschen, und grinste ihn an.
»John! Mein Gott, hast du mich erschreckt.«
»Tut mir Leid. Ich bin allerdings froh, dass ich dich hier treffe.«
Rebus sah sich um, als ob er nach jemandem Ausschau hielte. »Ich hab versucht, dich anzurufen,
aber man hat mir gesagt, du hättest heute frei.«
»Das stimmt.«
»Was machst du dann hier?«
»Geh bloß spazieren. Wir wohnen da drüben auf der anderen Seite.«
Er deutete mit dem Kopf nach Südwesten. »Ist nicht sehr weit. Außerdem ist das hier mein Revier,
das darfst du nicht vergessen.
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