Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
wird das wohl auch stimmen. Was kann ich für Sie tun, Miss ...?«
»Tracy...« Bei der zweiten Silbe des Namens war die Stimme nur noch ein Flüstern. Beinah hätte
sie sich hinreißen lassen, ihre Identität preiszugeben. »Spielt keine Rolle, wer ich bin!« Sie
klang jetzt hysterisch, beruhigte sich aber genauso schnell wieder. »Ich rufe wegen diesem Squat,
diesem besetzten Haus in Pilmuir an, wo man...« Die Stimme verlor sich schon wieder.
»Ach ja.« Rebus richtete sich auf und wurde hellhörig. »Waren Sie diejenige, die angerufen
hat?«
»Was?«
»Um uns mitzuteilen, dass dort jemand gestorben ist.«
»Ja, das war ich. Armer Ronnie...«
»Ronnie ist der Verstorbene?« Rebus kritzelte den Namen auf die Rückseite einer Akte aus seinem
Eingangskorb. Daneben schrieb er: Tracy ­ Anruferin.
»Ja.« Ihre Stimme brach erneut, diesmal schien sie den Tränen nahe.
»Können Sie mir Ronnies Nachnamen nennen?«
»Nein.« Sie zögerte. »Den hat er mir nicht gesagt. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob Ronnie
sein wirklicher Name war. Wer benutzt schon seinen richtigen Namen?«
»Tracy, ich würde mich gerne mit Ihnen über Ronnie unterhalten. Wir können das am Telefon machen,
aber ich würde es lieber persönlich tun. Keine Sorge, Sie sind ja nicht in
Schwierigkeiten...«
»Doch, das bin ich. Deshalb hab ich ja angerufen. Ronnie hat es mir erzählt, wissen
Sie.«
»Was erzählt, Tracy?«
»Er hat mir erzählt, er wär ermordet worden.«
Der Raum um Rebus schien plötzlich zu verschwinden. Da war nur noch diese körperlose Stimme, das
Telefon und er.
»Das hat er zu Ihnen gesagt, Tracy?«
»Ja.« Jetzt weinte sie, versuchte schniefend die unsichtbaren Tränen zurückzuhalten. Rebus
stellte sich ein verängstigtes junges Mädchen vor, gerade mit der Schule fertig, das irgendwo in
einer Telefonzelle stand.
»Ich muss mich verstecken«, sagte sie schließlich. »Ronnie hat immer wieder gesagt, ich soll mich
verstecken.«
»Soll ich Sie mit dem Auto abholen? Sie müssen mir nur sagen, wo Sie sind.«
»Nein!«
»Dann sagen Sie mir, wie Ronnie getötet wurde. Sie wissen doch, wie wir ihn gefunden
haben?«
»Auf dem Fußboden unterm Fenster. Da hat er gelegen.«
»Nicht ganz.«
»O doch, da lag er. Am Fenster. Zu einer kleinen Kugel zusammengerollt. Ich dachte, er würde bloß
schlafen. Aber als ich ihn am Arm angefasst hab, war er ganz kalt... Ich bin Charlie suchen
gegangen, aber der war fort. Da hab ich Panik gekriegt.«
»Sie sagen, Ronnie lag zusammengerollt da?« Rebus hatte angefangen, mit dem Bleistift Kreise auf
die Rückseite der Akte zu zeichnen.
»Ja.«
»Und das war im Wohnzimmer?«
Sie schien verwirrt. »Was? Nein, nicht im Wohnzimmer. Er lag oben, in seinem Zimmer.«
»Ich verstehe.« Rebus zeichnete mechanisch immer weiter Kreise. Er versuchte sich vorzustellen,
wie Ronnie sterbend, aber noch nicht ganz tot, die Treppe herunterkroch und im Wohnzimmer
landete, nachdem Tracy geflohen war. Das könnte die Blutergüsse erklären. Aber die Kerzen... Er
hatte so exakt dazwischen gelegen... »Und wann war das?«
»Sehr spät letzte Nacht. Ich weiß nicht genau wann. Ich hab Panik gekriegt. Als ich mich wieder
etwas beruhigt hatte, hab ich die Polizei angerufen.«
»Wann war das ungefähr?«
Sie dachte nach. »Heute Morgen gegen sieben.«
»Tracy, würde es Ihnen was ausmachen, das noch ein paar anderen Leuten zu erzählen?«
»Warum?«
»Das sag ich Ihnen, wenn ich Sie abhole. Sagen Sie mir nur, wo Sie sind.«
Es folgte eine weitere nachdenkliche Pause. »Ich bin wieder in Pilmuir«, sagte sie schließlich.
»Ich bin in eine andere Bude gezogen.«
»Na schön«, sagte Rebus, »Sie wollen wohl nicht, dass ich dorthin komme. Aber Sie müssen doch
recht nahe an der Shore Road sein. Wie wär's, wenn wir uns dort treffen?«
»Also...«
»Da ist ein Pub namens The Dock Leaf«, fuhr Rebus fort, ohne ihr Zeit für irgendwelche
Diskussionen zu geben. »Kennen Sie das?«
»Da bin ich schon ein paar Mal rausgeflogen.«
»Ich auch. Wir treffen uns in einer Stunde davor. Okay?«
»Okay.« Sie klang nicht gerade begeistert, und Rebus fragte sich, ob sie tatsächlich auftauchen
würde. Nun, was sollte es? Sie hörte sich zwar ganz vernünftig an, aber vielleicht war sie auch
eine von den Leuten, die so etwas erfanden, um auf sich aufmerksam zu machen, um ihr Leben
interessanter scheinen zu lassen, als es war.
Aber wie auch immer, er hatte von Anfang an ein merkwürdiges Gefühl bei der Sache
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher