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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich
Autoren: Rebecca Gablé
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Antwort ist nein.«
    »In dem Fall, fürchte ich, kann ich Euch den Eid nicht leisten, Sire.« »Dann sollte ich wohl erwägen, Euch zu Eurem alten Freund Godwinson zu sperren.«
    Cædmon lachte leise. »Ein dutzendmal habe ich diese Drohung früher Tag für Tag von Eurem Vater gehört. Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet mich damit noch beeindrucken?« Er verneigte sich tief. »Ich würde mich gerne zurückziehen, wenn Ihr erlaubt. Ich denke, wir haben uns weiter nichts zu sagen.«
    Der König antwortete nicht, und nach einem kurzen Zögern wandte Cædmon sich ab und ging zur Tür.
    »Nein, warte, Cædmon!«
    Cædmon drehte sich wieder um und sah ihn schweigend an.
    Rufus ließ sich in seinen Sessel sinken und seufzte tief. »Das will ich nicht. Ich will nicht, daß du gehst, und ich will weder auf deine Freundschaft noch auf deinen Rat verzichten. Die Dinge … sind so schwierig. Ich habe viele Feinde, hier wie in der Normandie. Ich darf ihnen keine Angriffsfläche bieten.« Er brach ab, griff nach dem vergoldeten Becher, aus dem William so oft getrunken hatte, und nahm einen kräftigen Zug. »Herrgott, ich wünschte, mein Vater wäre nicht ausgerechnet jetzt gestorben. Es war noch zu früh.«
    Cædmon kam langsam zu ihm zurück und wählte seine Worte mit Bedacht. »Und wäre dein … Pardon, Eurer Vater hundert Jahre alt geworden, Sire, er hätte Euch auch dann Feinde und Unrast hinterlassen,denn es lag in seiner Natur. Aber ich sehe an dieser Lage nichts, womit Ihr nicht fertig werden könntet. Ihr solltet mehr Vertrauen zu Euch selbst haben.«
    Rufus’ Miene hellte sich ein wenig auf, doch er schüttelte den Kopf. »Und wenn du mir noch so viel Honig ins Ohr träufelst, ich kann Godwinson nicht laufen lassen. Es würde mir den Schlaf rauben, nicht zu wissen, wo er steckt, was er treibt, wer sich um ihn schart. Er ist ein Risiko, ganz gleich, was du sagst.«
    Cædmons Kopf ruckte hoch. »Und was wäre, wenn Ihr wüßtet, wo er steckt, und sicher sein könntet, daß niemand sich um ihn schart?«
    »Wie sollte das möglich sein?«
    Eadwig lächelte befreit und trat zu ihnen. »Indem du ihn in Cædmons Obhut gibst. Hat dein Vater seine Gefangenen nicht auch vertrauten Vasallen auf dem Land geschickt, damit sie weit weg von allen Hofintrigen und gleichzeitig sicher verwahrt waren? Es ist eine gute Lösung, Rufus. Alles, was Wulfnoth Godwinson sich erträumt, ist ein Ort, wo er Frieden finden kann. Er hat doch keine Menschenseele mehr in England. Laß ihn mit Cædmon nach Helmsby gehen. Dort wäre er gut aufgehoben, und du könntest beruhigt sein. Nicht einmal Lanfranc oder Lucien oder Warenne werden daran etwas zu beanstanden finden.«
    Der König zögerte noch einen Moment, vielleicht in erster Linie, um sein Gesicht zu wahren, mutmaßte Cædmon. Dann nickte Rufus knapp. »Meinetwegen. Du kriegst Godwinson. Ich deinen Eid.«
    Cædmon verneigte sich tief. »Wie Ihr wünscht, Sire.«
Helmsby, Oktober 1087
    »Was für ein herrlicher Tag«, murmelte Wulfnoth, legte den Kopf in den Nacken und sah zum wolkenlosen, strahlend blauen Himmel auf. »Was für ein herrlicher Tag, Cædmon. Ich frage mich, ist der Oktober in der Normandie je so golden?«
    »Natürlich nicht«, antwortete Cædmon, und sie lachten.
    Die Sonne ließ das rot und leuchtend gelb gefärbte Laub an den Bäumen funkeln. Eine dichte Schicht gefallener Blätter bedeckte den Boden und raschelte unter den Hufen der Pferde. Der feuchte Boden hattePilze in schier unglaublichen Mengen hervorgebracht, die die kühle, klare Luft mit ihrem erdigen Duft erfüllten. Schweigend ritten sie nebeneinander durch die herbstliche Pracht. Odric, Elfhelm und vier weitere Housecarls folgten in gebührlichem Abstand und machten sich verstohlen über die unförmigen Beutel mit der Laute lustig, die sowohl der Thane als auch sein hoher Gast auf dem Rücken trugen.
    »Wie wunderschön East Anglia ist«, bemerkte Wulfnoth. »Harold sagte immer, es sei ein tristes Ödland. Er … nun ja. Er war vermutlich nicht sehr empfänglich für diese stille Art von Schönheit.«
    Cædmon warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Man konnte Wulfnoth immer noch ansehen, wie sehr seine unerwartete Verhaftung ihn erschüttert hatte. Schon vor ihrer Ankunft in England war er unsicher und von Ängsten und Zweifeln geplagt gewesen. Doch jetzt wirkte er mit einemmal erschöpft und alt.
    »Es ist jedenfalls ein guter Ort, um viele Dinge zu vergessen«, antwortete Cædmon.
    Aber Wulfnoth schüttelte den
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