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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich
Autoren: Rebecca Gablé
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hatte, ließ er sie kommen und diktierte in ihrem Beisein sein Testament. Einen nicht geringen Teil seines persönlichen Vermögens vermachte er verschiedenen Kirchen und Klöstern zur Verteilung an die Armen und zum Wiederaufbau der zerstörten Gotteshäuser von Mantes.
    Dann sah er der Reihe nach in all die vertrauten Gesichter, die ihn umgaben.
    »Rufus. Komm her.«
    Der Prinz trat näher und sank vor dem Bett auf die Knie. »Hier bin ich, Sire.«
    »Hör auf zu heulen, Bengel.«
    Der dreißigjährige Rufus fuhr sich verschämt mit dem Ärmel über die Augen und sagte erstickt: »Entschuldigt, Vater.«
    William lächelte schwach. »Du warst immer ein treuer, pflichterfüllter Sohn, und du sollst haben, was dir zusteht. Die Normandie muß ich deinem treulosen, verräterischen Bruder Robert hinterlassen, denn ich habe mein Wort gegeben, und der junge normannische Adel ist ihm ergeben und würde sich gegen jeden anderen Herzog auflehnen. Die Normannen sind ein rebellisches Volk.« Er seufzte tief. »Sie brauchen eine eiserne Hand, die sie führt. Robert wird kläglich versagen und das Land ins Zwist und Unrast stürzen, doch ich bin durch Eid gebunden. Aber du nicht. Also bist du nicht verpflichtet, ihm zu lassen, was ich ihm gebe. Verstehst du, was ich dir sage?«
    »Ja, Sire.«
    »England … England ist für dich. Lanfranc ist informiert und wartet inWinchester auf dich. Während wir uns hier verabschieden, bereitet er deine Krönung vor. Zaudere nicht, Rufus. Mach dich sofort auf den Weg. Warte an der Küste, bis die Nachricht dich erreicht, daß ich diese Welt verlassen habe, und dann stich sofort in See, ehe dein Bruder, der Verräter, dir zuvorkommt.«
    »Ja, Sire. Ich werde alles genauso machen, wie Ihr wünscht.«
    »Ich habe nichts anderes erwartet. Leb wohl, Rufus.«
    »Lebt wohl, Vater. Gott sei mit Euch.« Rufus kam unsicher auf die Füße und eilte mit gesenktem Kopf zur Tür, wo Eadwig ihn erwartete. Zusammen verließen sie den Raum.
    »Henry.«
    Sein jüngster Sohn trat an das Bett. »Was bleibt für mich, Vater?«
    »Fünftausend Pfund. Es ist das Vermögen deiner Mutter, und es war ihr Wunsch, daß du es bekommst.«
    Der junge Prinz senkte den Kopf und nickte, fragte jedoch beklommen: »Was soll ich aber mit Geld, wenn ich kein Land habe, das ich mein Heim nennen kann, Vater?«
    William verzog amüsiert den Mund und tastete nach Henrys Hand. »Sei guten Mutes, Henry. Deine Brüder sind älter, und du mußt es geduldig hinnehmen, daß sie Vorrechte haben. Aber ich sage dir, eines Tages wirst du mächtiger sein und mehr Land besitzen als sie beide, denn du bist klüger und stärker als sie. Du bist der Beste meiner Söhne. Und deine Stunde wird kommen.«
     
    Der junge Prinz hatte das Haus des Priors gerade verlassen, als eine neue Welle von Schmerz den König übermannte, und danach schien er vollkommen erschöpft.
    »Ich glaube, es ist besser, wir lassen ihn allein«, flüsterte der Bischof von Lisieux.
    Die Männer wandten sich zur Tür, aber der König hielt sie zurück. »Nein, geht nicht. Bitte. Ich … fürchte mich.«
    Verwundert über dieses gänzlich untypische Eingeständnis blieben sie stehen und tauschten ratlose Blicke.
    Schließlich sagte der Erzbischof: »Du hast keinen Grund zur Furcht, mein Sohn. Du hast gebeichtet, und deine Sünden sind vergeben.« »Sind sie das wirklich?« fragte William stirnrunzelnd. »Das frage ich mich. Nicht mehr lange, und ich werde vor Gott stehen und Rechenschaft ablegen müssen. Für all das Blut, das ich vergossen habe. Und eswar viel Blut. Ich hatte … so viele Feinde. Immer, seit ich acht Jahre alt war und mein Vater starb und mir sein Reich hinterließ, hatte ich Feinde, die mir nach dem Leben trachteten oder nach meinem Besitz. Ich habe … sie alle besiegt. Und ihr Blut ist geflossen. Jetzt … klebt es an mir. Wird Gott mir vergeben?«
    Er bekam nicht gleich eine Antwort. Anscheinend wollte sich niemand so recht festlegen. Jeder der hier Versammelten hatte seine eigenen Erinnerungen an Williams Grausamkeit, seinen furchtbaren Zorn, seine so eiskalt kalkulierten Gewaltakte.
    Schließlich räusperte Cædmon sich und sagte: »Wenn all das vergossene Blut Euch wirklich reut, Sire, dann solltet Ihr vielleicht jetzt an die Feinde denken, deren Blut nicht vergossen wurde. Ich meine all die Männer, die hier und in England in Eurem Namen gefangengehalten werden, weil sie sich gegen Euch versündigt haben oder Ihr fürchtetet, sie könnten eine Rebellion
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