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Das zitternde Herz

Das zitternde Herz

Titel: Das zitternde Herz
Autoren: Amanda Cross
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umwer-fend; zusammen mit ihrer Frisur und ihrem Make-up signalisierten sie gleichzeitig Nun-komm-schon und Versuch-nicht-mich-zum-Narren-zu-halten. Der ganze Auftritt war überwältigend.
    ›Wie findest du’s?‹ fragte Toni. ›Ich hab mich ein bißchen auf-gemotzt. Das ist ein Poweroutfit, falls du das nicht wußtest‹. ›Wußte ich nicht‹, sagte ich.
    ›Mach du dir deswegen mal keine Sorgen‹, sagte Toni, die sah, daß ich etwas bestürzt war, da ich mich kein Jota verändert hatte.
    ›Ich möchte, daß du genauso aussiehst wie du aussiehst. Das ist mit ein Grund für mein Angebot – dein Aussehen, dein Alter, deine Tüchtigkeit, die Art, wie du mit all diesen schrecklichen Ju-ristenprofs fertiggeworden bist, die Tatsache, daß man, wie du so oft betonst, ältere Frauen überhaupt nicht wahrnimmt, geschweige denn imstande wäre, sie zu beschreiben. All dies ist ganz genau das, was ich will. Was sagst du dazu?‹
    Na ja, was hatte ich zu verlieren? Ein Abenteuer ist ein Abenteuer. Ich rezitierte ihr sogar ein Gedicht von Kate Ellis, Herkunft, müt-terlicherseits, das mir kürzlich untergekommen war: Bis sie auftaucht wie aus dem Meer
    nicht in der Muschel, diesmal
    kein Grund zu lachen
    und weniger lieblich, als er dachte
    eine Frau, breithüftig, schön und stark.

    Ich hätte in der letzten Zeile gern alt hinzugefügt, aber schließ-
    lich ist es nicht mein Gedicht. Trotzdem – das war ich: breithüftig, alt und stark.
    So machten wir also unsere Detektivkanzlei auf. Von Anfang an gaben wir ein perfektes Team ab. Toni zog die Aufmerksamkeit auf sich, und ich agierte da, wo diese Aufmerksamkeit nicht war. Wir beschatteten ehebrecherische Frauen, Gatten und Liebhaber und spürten vermißte Kinder auf. Dieser Teil war ziemlich schauerlich; meistens waren es Teenager, die nicht zurück nach Hause wollten, wenn man sie fand, aber zumindest wurden die Eltern und das Kind gezwungen, miteinander zu reden, was davor im allgemeinen nur selten der Fall gewesen war.« Hier unterbrach sich Harriet und sah abermals Kate an, die schwach lächelte und versuchte, zuversichtlich zu wirken.
    Harriet fuhr fort: »Toni bestand darauf, daß wir beide eine zugelassene Pistole brauchten. Ich hasse Waffen und weigerte mich, aber am Ende stimmte ich zu, in der Vorstellung, ich könnte das Ding einfach in meiner riesigen Handtasche versenken und niemals benutzen. Hier irrte ich mich. Wir wurden von einem Kerl angeheuert, um, natürlich unauffällig, seiner joggenden Freundin hinterherzurennen, die darauf bestand, immer in der Dämmerung zu laufen. Ich sagte, daß wir eigentlich keine Bodyguards wären, aber Toni meinte, sie jogge ohnehin, und wenn der Typ unsere Honorarsätze zahle, warum nicht. Also rannte Toni, wenn das Mädchen rannte, und höchstwahrscheinlich wurde der eine oder andere Vergewaltiger dadurch entmu-tigt, daß sie in Sichtweite war und aussah, als könnte sie eine Waffe bei sich haben. Wie dem auch sei, eines Tages war Toni wegen eines anderen Falles verhindert und bat mich, für sie einzuspringen.
    ›Bist du von Sinnen?‹ fragte ich, taktvoll und höflich, wie ich war.
    ›Nimm ein Rad‹, sagte Toni. ›Du kannst doch radfahren, oder?‹
    Ich gab zu, daß ich konnte.
    ›Na also‹, sagte sie, als sei damit alles klar.
    ›Gut, okay‹, lenkte ich ein, um meine Würde zu bewahren. Immerhin – das muß ich ihr lassen – besorgte Toni das Fahrrad, eines dieser Dinger mit zehn oder zwanzig Gängen, die ich noch nie kapiert habe. Aber ich kann Pedale treten, und das tat ich. Rund um den Park. Die Joggerin blieb Gott sei Dank auf dem Weg, und falls sie sich fragte, wieso diese alte Schachtel ständig hinter ihr herradelte, dachte sie sich wahrscheinlich, daß ich mich an sie heftete, weil es sicherer war. Leute, die in der Dämmerung laufen, wundern sich nicht groß über Leute, die in der Dämmerung radeln, so dachte ich zumindest. Und dann schlug er zu. Er muß geglaubt haben, daß ich –
    alt und hörbar kurzatmig wie ich war (ich gestehe es; da waren jede Menge Hügel) – ihm nicht gefährlich werden würde, und er stürzte sich auf sie und zerrte sie hinter ein paar Büsche. Ich überließ das Rad sich selbst und folgte, langsam und vorsichtig. Es gelang mir, mich von hinten an ihn anzuschleichen und ihm die Pistole an den Kopf zu setzen, genau wie Louise, als Thelma fast vergewaltigt worden wäre. ›Laß sie los‹, sagte ich. Er sah so unbeeindruckt aus, daß ich knapp an ihm vorbeischoß, um
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