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Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Titel: Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)
Autoren: Eric Kandel
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Komponist Gustav Mahler war Wegbereiter für den Übergang von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert und Brahms, der Ersten Wiener Schule der Musik, zu einer neuen Generation von Komponisten, angeführt von Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern, der Zweiten Wiener Schule der Musik.
    Die Architekten Otto Wagner, Joseph Maria Olbrich und Adolf Loos reagierten auf die majestätischen öffentlichen Gebäude an der Ringstraße – stilistisch der Gotik, der Renaissance und dem Barock nachempfunden – mit der Schöpfung eines klaren, funktionalen Architekturstils, der der deutschen Bauhaus-Schule der 1920er-Jahre den Weg ebnete. Nach Wagner musste Architektur modern und originell sein, und er erkannte die Bedeutung von Verkehrsmitteln und Stadtplanung. Dies bezeugen die Gestaltung von über 30 wunderschönen Haltestellen der Wiener Stadtbahn sowie das Design von Viadukten, Tunneln und Brücken. Bei all diesen Projekten bemühte sich Wagner um die Harmonisierung von Kunst und Funktion. Demzufolge besaß Wien eine der fortschrittlichsten Infrastrukturen aller europäischen Großstädte.
    Die Wiener Werkstätte – das von Josef Hoffmann und Koloman Moser geleitete Kunst- und Designinstitut – verlieh mit der eleganten Gestaltung von Schmuck, Möbeln und anderen Objekten dem Alltagsleben mehr Schönheit. In der Literatur formten Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal Jung-Wien, eine moderne Schule für Prosa, Drama und Lyrik. Am bedeutendsten aber war, wie wir noch sehen werden, dass eine Reihe von Wissenschaftlern von Carl von Rokitansky bis zu Freud einen neuen, dynamischen Blick auf die menschliche Psyche etablierten, der das Denken über den menschlichen Geist revolutionierte.
    Die kreativen Aktivitäten in Kunst, Kunstgeschichte und Literatur fanden eine Parallele in den Fortschritten der Naturwissenschaft und Medizin, während der Optimismus der medizinischen, biologischen und physikalischen Forschung das Vakuum füllte, das durch ein Schwinden religiöser Spiritualität entstand. In der Tat bot das Leben in Wien zur Jahrhundertwende Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern Gelegenheit, sich in der zugleich inspirierenden, optimistischen und politisch engagierten Atmosphäre von Salons und Kaffeehäusern miteinander auszutauschen. Die Fortschritte in Biologie, Medizin, Physik, Chemie und den damit verwandten Gebieten der Logik und Ökonomie gingen mit der Erkenntnis einher, dass die Wissenschaft nicht länger der eng gesteckte und begrenzte Kompetenzbereich von Forschern war, sondern sich zu einem wesentlichen Bestandteil der Wiener Kultur entwickelt hatte. Diese Haltung förderte Interaktionen, die Geistes- und Naturwissenschaften näher zusammenbrachten und bis zum heutigen Tag ein Musterbeispiel dafür sind, wie ein offener Dialog entstehen kann.
    Zudem unterstützten der liberale intellektuelle Geist von »Wien 1900« und die progressive Haltung der naturwissenschaftlichen Universitätsdozenten die politische und gesellschaftliche Befreiung der Frauen, für die Schnitzlers Werke und die Arbeiten der drei Künstler Klimt, Schiele und Kokoschka eintraten.
    Deren Gemälde sowie Freuds Theorien und Schnitzlers Werke waren von einer gemeinsamen Erkenntnis über das Wesen der menschlichen Triebe geprägt. In der Epoche von 1890 bis 1918 trugen die Einblicke dieser fünf Männer in die Irrationalität des Alltagslebens dazu bei, dass Wien zum Zentrum von Denken und Kultur der Moderne wurde. Diese Kultur umgibt uns noch heute.
    MITTE DES 19. JAHRHUNDERTS ENTWICKELTE sich die Moderne als Antwort nicht nur auf die Beschränkungen und Heucheleien des täglichen Lebens, sondern auch auf die Vehemenz, mit der die Aufklärung die Rationalität menschlichen Verhaltens hervorhob. Die Aufklärung, oder das Zeitalter der Vernunft, war gekennzeichnet von der Idee, dass mit der Welt alles in Ordnung ist, weil menschliches Handeln von der Vernunft geleitet wird. Durch die Vernunft gelangen wir zur Aufklärung, weil unser Verstand unsere Emotionen und Gefühle kontrolliert.
    Der unmittelbare Auslöser für den Durchbruch der Aufklärung im 18. Jahrhundert war die wissenschaftliche Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts, zu der drei bahnbrechende astronomische Entdeckungen gehörten: Johannes Kepler formulierte die Regeln, nach denen sich die Planeten bewegen, Galileo Galilei stellte die Sonne in den Mittelpunkt des Universums, und Isaac Newton entdeckte die Schwerkraft, erfand die Differentialrechnung (was Gottfried
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