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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß
Autoren: Ludwig Tieck
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und die Laune des Generals ging sichtlich erst in Ernst, dann in Verdruß über. Als der fremde Officier die Müdigkeit erwähnte, antwortete der General: Ich bin immer am fröhlichsten, wenn der Himmel recht tobt und stürmt; jetzt aber, statt daß es nach diesem tüchtigen Gewitter heiter werden sollte, tritt ein so langweiliger, phlegmatischer Regen ein, daß man wohl merkt, dies verdrüßliche Wetter wird nun einige Tage so fort lamentiren und quängeln. Darin ist unsre deutsche Atmosphäre unausstehlich. Wehe dem, dem es im Leben selbst auf ähnliche Art ergeht!
    Man wollte sich schon vom Tische erheben, als man plötzlich aus der Ferne das Rasseln eines Wagens vernahm. So spät in tiefer Nacht? sagte der Hauptmann. Das klingt, fuhr er fort, als wenn Pferde liefen, die sich selbst überlassen sind. – Sollte ich mich täuschen, das ist ja wie der Trab meiner Rappen. Was hat das zu bedeuten? Indem standen die Rosse mit dem Wagen, die im schnellsten Trabe gelaufen waren, plötzlich vor der Thür still. Man hörte die hülferufende Stimme von Frauenzimmern. Alle stürzten hinaus, der Hauptmann voran; der junge Officier hielt die Pferde.
    O mein Karl! war Louisens Ausruf, als sie ohnmächtig dem Hauptmann in die Arme sank, der sie zitternd aus dem Wagen gehoben hatte. Dieser trug die schöne Last mit freudeklopfendem Herzen, überrascht, betäubt, in das Zimmer auf das Sopha. Der Prediger bemühte sich indeß mit der Dichterin, die mit den leidenschaftlichsten Ausdrücken die ungeheure Gefahr schilderte, der sie eben entgangen war, sowie ihre Freude über diese plötzliche unvermuthete Rettung.
    Louise erwachte. Sie erzählte von dem Schreck, den ihr die durchgehenden Pferde verursacht hätten. Sie konnte sich in die Freude nicht finden, im Hause, an der Seite ihres Geliebten zum Leben wieder zu erwachen. Die beiden Damen mußten durch Speise und Trank erquickt werden, die Tafel wurde wieder hergestellt und von neuem mit einigen Gerichten besetzt, und Louise war genöthigt, den Sessel einzunehmen, der vorher schon für ihren Geist war hingestellt worden.
    Als man sich erst besonnen, die Gefahr und den höchst sonderbaren Zufall vielfältig besprochen hatte, waren Alle sehr fröhlich, der General ausgelassen und die beiden Liebenden ganz in das Bewußtsein ihrer beglückenden Nähe versenkt, die ein zauberähnlicher Umstand ihnen so unvermuthet gewährt hatte. Ei! rief plötzlich der Hauptmann aus, da ist ja mein kleiner wilder Jockey auch, den Sie mir, lieber Vater, mit diesen meinen vormaligen Pferden zugleich entzogen hatten.
    Ja, sagte der Jockey mit der fröhlichsten Miene, ich habe den Herrn General vorher begleitet, ohne daß er es selber bemerkt hat. Und ein wahres Glück. Denn die guten lieben Rappen sind zwar verständig genug, sie kennen die Stadt und das Haus hier wohl, ihr altes gutes Quartier: also würden die kreuzbraven Thiere wohl von selbst Halt gemacht haben, denn ich glaube nicht einmal, daß sie in einem Koller durchgegangen sind, sie haben es nur benutzt, daß sie nicht unter Aufsicht standen, und sind so wieder zu ihrem Herrn Capitän gelaufen. Wie ich aber hier in der Hausthür stand und zusprang, ließen sich die freundlichen Creaturen um so williger greifen.
    Ich will die Pferde, die so verständig sind, sagte der General, auch wieder an mich kaufen, und Du sollst sie wieder bedienen. – Ist es wohl gottlos, Herr Pastor, in dieser wunderlichen Begebenheit die Hand des Himmels, oder wenigstens einen Finger derselben erkennen zu wollen?
    Gottlos eben nicht, erwiederte jener; aber vielleicht voreilig. Alle die Umstände, das Durchgehen der Pferde dann, die jener Herr von Freimund gekauft, daß die Damen keinen Schaden genommen, die Thiere, die, mit Verstand begabt, gerade hieher gelaufen, vor dem Haufe Halt gemacht, in dem nicht nur der Herr Kapitän, sondern auch dessen Herr Vater gegenwärtig war, hat immer etwas Wunderbares.
    Und noch mehr der Umstand, rief der General aufstehend, daß der ordinirte fromme Prediger zugegen war. Denn da uns das Glück so außerordentlich in die Hände gearbeitet hat, so wäre es frevelhaft, seine Güte nicht zu benutzen. Sie trauen mir also die beiden jungen Leute in diesem Augenblick, das Umgehen des Aufgebots und dergleichen mehr werde ich schon vertreten und vergüten; wenn es seyn muß, trage ich meinem gnädigen Fürsten den sonderbaren Fall selber vor, dem ich neulich schon von Louisens Unglück und des Vaters Eigensinn gesprochen habe. Heute schläft
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