Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß
Autoren: Ludwig Tieck
Vom Netzwerk:
mitten im Taumelgenuß und hehren Aufschwung durch die prosaischen gemeinen Karren, den herbeigeschleppten Proviant, das Abladen von Dienern und Kutschern unterbrochen würden! Für mich ist wenigstens dergleichen fürchterlicher, als die gräßlichste Gespenstergeschichte. So vom hohen Parnaß herunter in eine Rebhuhn- oder Aalpastete mit der Nase zu fallen, ist ein Evenement, daß man wohl in Verzweiflung grinsend, mit den Zähnen knirschend, in das irdische Gefüllsel hinein arbeiten muß, und sich am Thierischen sättigen, um nur die Verlegenheit etwas zu maskiren, in die uns dieser so oft wiederkehrende Abfall vom Himmel versetzt. Man muß sich am Irdischen rächen, es bestrafen, verzehren und scheinbar in sich selbst verwandeln, weil es die Menschheit schon vor uralten Zeiten um die süße Lauterkeit des reinen Himmels betrog. So erkläre ich mir wenigstens die Gier, mit der ich oft sonst edle Menschen über Austern oder andere animalische Leckerbissen herfallen sehe.
    O wie schön! sagte die gerührte Frau mit schwimmenden Augen, die sich unwillkürlich zum Himmel lenkten. Diese zarte Empfindung, Herr Mansfeld, hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Wohl ist es unsere räthselhafte Bestimmung, daß wir mit dem genießbaren Element auf so vertrautem Fuß von intimer Bekanntschaft stehn müssen, daß die unschuldige sanfte Taube, wie sie als silberner Punkt im Azur uns ein lichtes Bild der Liebe und Andacht wird, doch an demselben Tage von uns als Braten verspeiset wird. Auch darüber habe ich ein Idyll –
    Da Sie zum Lesen gestimmt sind, sagte Mansfeld, so will ich Ihnen lieber etwas vortragen, was uns nicht so erschüttern wird, wenn wir unterbrochen werden sollten. Es ist nur eine kurze, nicht viel bedeutende Novelle, ein Titel, der jetzt für alles Mögliche beliebt wird. Daß aber die Arbeit nicht von mir herrührt, brauche ich wohl nicht hinzuzufügen, da Jedermann meine völlige Unfähigkeit bekannt ist, irgend etwas Lesbares, meine Akten ausgenommen, hervorzubringen. Es rührt, was ich mittheile, von jenem Verfasset her, von dem schon manche Erzählungen bekannt geworden sind. Er scheint sich bei dem Titel Novelle etwas Bestimmtes, Eigentümliches zu denken, welches diese Dichtungen charakterisiren und von allen andern erzählenden scharf absondern soll. Doch es ist nicht mein Beruf, ihn zu kommentiren, ich theile Ihnen die Geschichte selber mit, die überdies für eine wahre Anekdote ausgegeben wird. Er nahm einige Blätter aus der Tasche und las:

Die wilde Engländerin. Novelle.
    Es lebte in Northumberland ein reicher Gutsbesitzer mit seiner einzigen Tochter. Da sie eine reiche Erbin war, so wurde das wohlgebildete Mädchen von vielen jungen und ältern Leuten aus der vornehmen Welt aufgesucht, die sie zur Gattin wünschten. Sie war mit Allen freundlich, so wie aber die Rede auf diesen Gegenstand kam, so wie ihr einer von Liebe sprach, wendete sie sich von ihm mit großer Strenge ab, vermied seinen Umgang und war gegen ihn so kalt und gleichgültig, daß der beschämte Freier das Schloß des Vaters nicht wieder besuchte und sich gern aus der Gegend entfernte.
    Florentine war groß und schlank, die Farbe ihres Gesichtes von dem reinsten Weiß, die seinen Lippen von frischer Röthe, und das Haar, das sie in kurzen Locken um Stirn und Nacken fliegen ließ, rabenschwarz; eben so dunkel waren die feingezogenen Augenbraunen, das braune Auge blickte Jeden heiter und freundlich an, verwandelte sich aber in den finstersten Ernst, wenn Jemand die gewöhnliche Höflichkeit in den Ton der Zärtlichkeit umstimmen wollte. Sie sah sich gern zu Pferde, ritt auch oft ohne Begleitung, die Einsamkeit schien ihr überhaupt lieber, als der Umgang selbst von interessanten Menschen. Die gewöhnlichen weiblichen Arbeiten vernachlässigte sie fast ganz und schien sie zu verachten, eben so kümmerte sie sich wenig um die unterhaltenden Bücher und kannte die Poeten, selbst die ihres Vaterlandes, fast gar nicht. Astronomie beschäftigte sie am meisten, und in der Nacht war sie fleißig auf dem Observatorium, welches der Vater ihr auf einem der Thürme des Schlosses hatte bauen lassen. Sie las die wichtigsten Werke dieser Wissenschaft und stand, der Instrumente wegen, und um sich in Briefen über schwere Fragen zu unterrichten, mit den berühmtesten Astronomen, auch des Auslandes, in Korrespondenz, denen sie in lateinischer Sprache schrieb, welche sie schon seit ihrer frühen Jugend mit großem Eifer erlernt hatte. Mathematik war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher