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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß
Autoren: Ludwig Tieck
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und unsere Tugend mild.
    Das Leben selbst, erwiederte der träge Schwieger, ist aber schon mühsam genug; warum noch Nesseln hineinsäen, die wir Rosen nennen? Hier soll das Essen und das Trinken herausgeschleppt werden, wir müssen darnach wandern, die andern in der Hitze fahren, Wein und Speisen verderben, die Menschen werden müde und matt, wer weiß, ob das Wetter sich erhält, – und dies sind dann die sogenannten Vergnügungen der thörichten Menschenkinder!
    Wenn Sie nicht verdrüßlich wären, antwortete Mansfeld. so würden Sie die Sache gewiß anders ansehn: betrachten Sie die schöne heitre Landschaft, den glänzenden Strom, diese Weinhügel, die lispelnden und rauschenden Wälder, den dunkeln, blauen Himmel.
    Und die müden Beine, rief Schwieger, die zwischen allen diesen Herrlichkeiten humpeln und stampfen, als wollten sie diese Blumen des Gemüthes in den Boden fest rammen. Es fehlte noch, daß Sie schildern und beschreiben.
    Sie standen endlich oben. Beide Männer schauten um sich, und wurden von der Schönheit des Landes überrascht: selbst Schwieger gestand, so wenig ihm diese Gegend fremd sei, so habe er doch noch niemals, sei es nun die zufällige Erleuchtung, oder sei durch die Anstrengung sein Sinn für Natur erhöht, diesen Standpunkt so malerisch gefunden. Das Haus war verschlossen, Niemand zugegen, Stall und Nebengebäude ebenfalls zu, Fenster und Thüren verriegelt. Sie gingen um die Wohnung, die sich an den Hügel lehnte, der von der Rückseite des Hauses bis zum Gipfel mit Waldbäumen besetzt war. An der Hinterseite des Hauses war eine kleine Nische angebracht, die, so schien es, eine Art von Grotte hatte werden sollen, sie war aber von so weniger Tiefe, daß man wohl sah, die Anlage war nicht vollendet worden, denn diese kleine Vertiefung in der Mauer konnte weder vor Sonne noch Regen schützen. Vorn hatte das Häuschen einen kleinen Balkon und auf beiden Seiten zwei gothisch verzierte Thürmchen; in dem einen lief die Wendeltreppe hinauf, zu welcher man aus dem untern Saal durch eine Thür und einige Stufen gelangte. Die einsame Lage, dieses gothische Ansehn des Hauses, das durch Erker und Thürme das Ansehn einer alten Ritterburg gewann, die ziemlich steile Anhöhe, auf welcher es stand, der finstre Wald oben und in der Nähe, alles diente dazu, dieser Stelle, so anmuthig sie war, doch auch den Charakter des Abentheuerlichen zu geben.
    Sonderlich! rief Schwieger aus, kein Mensch zu erhören und zu ersehn! Alles wie ausgestorben! Wahrlich, man könnte an alle die Sagen glauben, die man sich von diesem Hause erzählt, wie so still, einsam, fast schauerlich es nun hier ist. Die Fichten da oben säuseln so wunderlich, da unten die Linden und Buchen so poetisch, das Haus nimmt von uns keine Notiz, wir stehen verdutzt hier vor der lieben Natur, und diese scheint uns, statt anzulachen, zu verhöhnen und auszulachen. Nun fehlt nur noch, daß da oder dort plötzlich eine weiße Erscheinung auftaucht, um unsere Imagination völlig zu verschüchtern.
    Sie bogen um die Ecke und fuhren zurück, denn wirklich saß unter einer jungen Linde auf einer Bank eine seltsame Gestalt, die sie vorher nicht bemerkt hatten. Ein weibliches Wesen, weiß gekleidet, blaß, nicht mehr jung, die schwarzen vollen Haare über Schultern und Rücken fließend, laut sprechend, mit wilder Geberde, indem die linke Hand ein Blatt hielt, welches sie zu lesen schien; der Strohhut lag auf der Bank. Als sie näher traten und die Ueberraschung überwunden hatten, erkannten sie die Frau, die für die beste Dichterin der Provinz galt. Sie trat den Männern entgegen und sagte: nicht wahr, meine Herren, Sie hätten mich hier nicht erwartet? Ich habe aber zufällig erfahren, daß heute hier die Verlobung eines edlen Paares gefeiert werden soll, da habe ich mich bei dem schönen Wetter aufgemacht, um die Familie zu überraschen; so eben deklamirte ich mir mein Gedicht vor, das ich den Glücklichen geben und rezitiren will. So im Freien, mit lauter Stimme vorgetragen, fühlt man erst recht die Kraft und Bedeutsamkeit des Verses. O Natur, Natur! Holdeste! Süßeste! laß mich immer wandeln auf deiner Spur; leite mich an deiner Hand, wie das Kind am Gängelband: – – nicht wahr?
    Nur keine Affektation, keine Ziererei und widrige Empfindsamkeit, oder Modegefühle und so weiter; nicht wahr! O Natur! Natur! Sehen Sie, wie lieblich es hier ist! Kann man die Wagen noch nicht kommen sehn? Werden wir auch heut kein Gewitter bekommen? Ich habe
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