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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Autoren: Viktoria Benjamin
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eigentlich nennt. Heute Morgen hat mich ein Onkologe aus Düsseldorf angerufen, wegen einer Patientin. Ich hatte sie kurz mal behandelt, eine Kreislaufschwäche im Anschluss an eine der ersten Erscheinungen. Sie hatte einen Tumor im Kopf, mit Metastasen im Rückenmark. Inoperabel.«
    »Und?«, fragte Gina.
    »Und nun hat sie nichts mehr. Sie ist geheilt. Und führt das auf ihre Wallfahrt nach Grauenfels zurück.« Doktor Hoffmann schüttete seinen Kaffee herunter.
    »Aber das kann doch nicht sein!« Berit wurde fast etwas blass. »Ich meine … Sie kann doch nicht einfach …«
    »Doch, sie kann. So etwas gibt es. Allerdings sehr, sehr selten. Auf ein paar hunderttausend Fälle von lebensbedrohenden Krankheiten kommt eine Spontanheilung. Das sind dann die Sachen, die von der Kirche anerkannt werden …«
    »Aber … aber … Du meinst, die Leute fahren wirklich nach Lourdes, und dann ist der Krebs weg? Das gibt’s doch nicht.«
    »Das eine steht nicht zwangsläufig im ursächlichen Zusammenhang mit dem anderen«, dozierte Doktor Hoffmann. »Tatsächlich passieren diese Heilungen auch ohne vorherige Wallfahrt. Warum weiß keiner. Es ist so was wie ein Lottogewinn. Nur noch seltener.«
    »Aber das müsste dann doch ein Wahnsinnszufall sein!«, rief Gina. »Unter Tausenden von Schwerkranken fährt wahrscheinlich nur einer nach Lourdes oder so was, und unter denen wieder hat nur einer unter Hunderttausend eine – wie hieß das?«
    »Spontane Regression. Natürlich ist das ein Irrsinnszufall! Auch entsprechend selten natürlich. Denkt mal, wie viele Leute täglich nach Lourdes oder Fátima kommen – aber in all den Jahren seit den Erscheinungen dort gab es nur fünf oder sechs anerkannte Fälle. Und da mögen auch noch Fehldiagnosen drunter sein.«
    »Aber diese ist keine?«, versicherte sich Barhaupt.
    Hoffmann schüttelte den Kopf. »Der Arzt aus Düsseldorf ist eine Kapazität. Der irrt sich nicht. Der Fall ist narrensicher. Grauenfels hat den Treffer des Jahrzehnts gelandet – wenn wir mal davon ausgehen, dass alle zehn Jahre eine Spontanheilung auf eine Wallfahrt kommt. Weltweit, versteht sich, also auch verteilt auf islamische, buddhistische, hinduistische und was weiß ich was für Heiligtümer. Die katholische Kirche hat da ja kein Monopol.«
    »Und was ist nun?«, fragte Barhaupt ungläubig. »Was tun wir jetzt?«
    »Das müssen wir eben besprechen. Deshalb rief mich der andere Arzt auch an, er möchte wissen, was wir jetzt zu unternehmen gedenken. Die geheilte Frau möchte eigentlich kein Aufsehen. Sie sei nicht hysterisch, meinte DoktorRiemenschneider, nur unheimlich dankbar. Deshalb wäre sie grundsätzlich bereit, sich einer Untersuchung zu stellen. Schon um anderen Mut zu machen – und auch weil sie sich der ›Regenbogenkönigin‹ verpflichtet fühlt. Gerade nach dem Artikel heute Morgen. Fragt sich, ob wir das wollen.«
    »Warum sollten wir es nicht wollen? Mensch, das würde hier Pilgerströme …« Igor Barhaupt begriff erst jetzt, welches Wunder ihm da eben widerfahren war. Wenn die Sache mit der Spontanheilung publik wurde, konnte die Lupe schreiben, was sie wollte. Dann würden die Menschen nach Grauenfels kommen, gleichgültig, wie viele Beweise es gegen die Erscheinung gab.
    Doktor Hoffmann hob die Hand. »Igor, überlegen Sie erst mal! Bis jetzt war das hier immer eine Art Jux … Klar kamen ein paar ziemlich verzweifelte Menschen, aber die meisten waren doch Fälle wie die Frau mit der Nase oder die von eben mit dem verlegten Erbe. Wenn wir jetzt zustimmen, machen wir wirklich Schwerkranken Hoffnung. Wir werden ein Krankenhaus bauen müssen statt der Therme. Sie würden jeden Tag einen unendlichen Zug wirklich leidender, sterbender Menschen zu dieser Wunderquelle hinaufwanken sehen, die letztlich nichts anderes ist als ein Anschluss an die städtische Wasserleitung. Oder haben Sie damals ernstlich dieses dreckige Grundwasser verrohrt?«
    Barhaupt schüttelte etwas schuldbewusst den Kopf.
    »Wollen Sie diese Leute wirklich betrügen? Ist es das wert?«
    »Es würde Grauenfels retten«, meinte Barhaupt trotzig.
    »Aber es wäre nicht in Ordnung!«, brach es aus Berit heraus. »Denken Sie doch auch mal an die Mädchen. Die Zeitungen würden sie aufspüren, sie würden nie zur Ruhe kommen. Das geht einfach nicht, Igor, das können wir nicht machen!«
    »Ich denke auch an die betroffene Frau«, fügte Jaeger hinzu.»Die würde doch angestarrt wie die Kuh mit zwei Köpfen, wo immer sie hinkäme.
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