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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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abbringen!
     
    Am Abend nach Varzils Begräbnis kamen alle anwesenden Mitglieder der Türme, angefangen vom ältesten Bewahrer bis hin zum jüngsten Novizen, in der großen Halle von Hali zusammen. Asharra, die bei den anderen aus Neskaya saß, hielt die Augen gesenkt, aber ihre Nerven erzitterten unter dem Eindruck der hier versammelten Laran -Kräfte. Tief in ihrem Innersten spürte sie, wie sich etwas schmerzlich regte, das diese Kräfte bündeln und ihrem Willen unterwerfen wollte. Genau dieser Instinkt, so hatte Varzil vorausgesagt, würde sie eines Tages zur Bewahrerin machen, und zwar zu einer der mächtigsten in der Geschichte Darkovers.
    Arnad Delleray, Bewahrer von Arilinn, erhob sich. Das Fackellicht schimmerte auf seinem Silberhaar. Er war der älteste noch lebende Bewahrer und hatte am erbittertsten gegen Varzils Vorhaben gekämpft, Frauen zu Bewahrerinnen auszubilden. Als er sich nun an die Versammlung wandte, verriet er nicht die geringste Spur von Trauer. Die offiziellen Ehrbekundungen waren vorüber, die Trauerfeierlichkeiten abgeschlossen. Jetzt erinnerte Arnad die Anwesenden an die einzigartige historische Bedeutung dessen, was sie hier zu entscheiden hatten. Traditionsgemäß wählte jeder Bewahrer seinen eigenen Nachfolger schon zu Lebzeiten aus, prüfte ihn auf seine Befähigung und bildete ihn dann aus.
    Genau so, wie Varzil mich ausgebildet hat! dachte Asharra.
    »Es liegt an uns, als vereinigter Rat der Türme zu handeln und einen neuen Bewahrer für Neskaya zu wählen«, schloß Arnad derweil seine Rede.
    Ellimara Aillard vom Corandolis-Turm stand auf, und im Saal entstand eine gewisse Unruhe, als sich alle zu ihr umwandten. Ellimara war nicht nur Bewahrerin, sondern auch Comynara von Geburt; keiner würde es wagen, ihr das Rederecht streitig zu machen. »Es ist allgemein bekannt, daß Varzil nur eine einzige Unterbewahrerin gewählt und ausgebildet hat. Ganz gewiß wollte er, daß sie seinen Platz einnimmt. Es wäre anmaßend, wenn irgend jemand von uns diese Entscheidung in Zweifel ziehen wollte.«
    Überall im Saal begann man zu tuscheln. Mit Hilfe ihres Larans konnte Asharra einige der geflüsterten Kommentare aufschnappen: »Das kann sie nicht im Ernst meinen …«
    »Was hast du denn erwartet? Schließlich ist sie auch eine Frau.«
    »Jawohl, die einzige Bewahrerin – und das wird auch so bleiben, wenn du mich fragst!«
    Arnad brachte mit einem einzigen strengen Blick die Versammlung wieder zum Schweigen. »Wer wünscht zu diesem Punkt das Wort?«
    »Ich«, rief Mikhail Storn-Aillard, Bewahrer des Comyn-Turms, und sprang auf. Er trug sein dunkelrotes Haar in langen Locken, die ihm über die Schultern fielen und zusammen mit seinem Bart sein Gesicht eindrucksvoll umrahmten. »Varzil war ein Vorkämpfer, der stets alles in Frage stellte und Neues ausprobierte. Wer sonst hätte die Auswirkungen des Kataklysmus abwenden und den See wiederherstellen können? Wer sonst hätte die mächtigen Lords zu Friedensverhandlungen zusammenbringen können? Doch Varzil wußte auch, daß nicht jedes Experiment erfolgreich verläuft und daß es Zeit braucht, bis sich neue Ideen durchsetzen. Und dazu gehört auch die Ausbildung von Frauen zu Bewahrerinnen. Meine Cousine Ellimara«, spielte er auf ihre entfernte Verwandtschaft an, »ist der lebende Beweis, daß eine Frau dieses Amt ausüben kann. Aber nur weil eine Frau ausreichend begabt ist, bedeutet das noch lange nicht, daß alle Frauen dazu befähigt sind. Aber wir sind nicht hier versammelt, um über die Rolle aller Frauen zu diskutieren.« Er atmete noch einmal tief ein und plusterte seinen ohnehin beträchtlichen Brustkorb gehörig auf. »Wir sind hier versammelt, um zu entscheiden, wer Neskaya am besten als Bewahrer dienen kann.«
    Das Echo auf Mikhails Rede war so stark, daß Arnad seine Stimme laut erheben mußte, um die Versammlung zur Ordnung zu rufen. Überall waren Leute aufgesprungen und warteten darauf, daß ihnen das Wort erteilt würde. Auch Asharra gehörte zu ihnen. Sie hielt sich mit erhobenem Kinn stolz aufrecht. Arnads Blick ruhte eine ganze Zeit lang auf ihr, doch dann wandte er sich um und nickte einem der Überwacher aus Arilinn zu.
    Asharra ballte die Hände zu Fäusten, als sie sich wieder setzte. Es war klar, daß man ihr nicht gestatten würde zu sprechen.
    Geschweige denn, daß sie mir glauben würden, ganz egal, was ich auch sage.
    Immer deutlicher wurde ihr bewußt, wie vergeblich ihre Sache stand, als sie der Diskussion
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