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Das weiße Krokodil

Das weiße Krokodil

Titel: Das weiße Krokodil
Autoren: C. C. Bergius
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auf solches? Man befand sich auf dem ehrwürdigen Boden der einzigen, inmitten des Dschungels gelegenen Pagode, und man kaufte alles, was den Beweis dafür erbrachte, daß man an diesem seltsamen Platz gewesen war.
    Schwierigkeiten bereitete allerdings der Bootsverleih. Die beiden vorhandenen Nachen reichten bei weitem nicht aus, um alle Gäste in die glückliche Lage zu versetzen, sich einige der herrlichen Wasserrosen zu besorgen. Darüber entstand eine erregte Debatte, die Yen-sun zu seinen Gunsten beendete. Er schickte zwei Matrosen auf den See hinaus und offerierte die begehrte Victoria Regia bald darauf zum Preise von drei Singapore-Dollar das Stück, eine Summe, die anstandslos gezahlt wurde, da man wußte, daß der Mietpreis eines Bootes der gleiche gewesen wäre. Und man hatte den Vorteil, bei der Hitze nicht rudern zu müssen.
    Auf der Steintreppe war es freilich ebenfalls sehr heiß, aber man mußte sich ja irgendwo hinsetzen, wenn man den Reiseproviant, den die fürsorglichen Köche der Schiffahrtsgesellschaft für den Ausflug bereitgestellt hatten, in Ruhe verzehren wollte. Außerdem war es wunderbar, im Freien sitzend in eine Hühnerbrust zu beißen und an Knochen herumzunagen, die man am Schluß in hohem Bogen hinter sich werfen konnte. Dazu trank man Bier oder Juice aus Dosen, die man – ach, es war himmlisch – wie ein Arbeiter an den Mund setzte. Und zum Abschluß aß man erlesene Früchte ganz ohne Messer und Gabel.
    Daß man sich während dieses großartigen Picknicks laufend gegenseitig fotografierte, war selbstverständlich. Keiner aber ›schoß‹ so viele Bilder wie der rundliche Malaie, der im Geiste bereits einen neuen Prospekt entwarf, welcher an hervorragender Stelle ein Foto der dichtbevölkerten Steintreppe zeigen sollte.
    Yen-sun prüfte indessen seinen Kassenbestand, der so angeschwollen war, daß er glaubte, es ehrlichen Herzens verantworten zu können, vorab zweihundert Dollar in die eigene Tasche zu stecken. Es war ja schließlich seine Idee gewesen, Ausflüge zur Sandelholz-Pagode zu organisieren. Warum sollte er also grundsätzlich alles mit seinem Kompagnon teilen? Unabhängig davon kamen ihm zweihundert Extradollar im Moment wie gerufen, da er vor wenigen Tagen die Tochter eines außerordentlich reichen Chinesen kennengelernt hatte, der er ein hübsches Geschenk machen wollte. Er beabsichtigte zwar nicht, sich von Sim zu trennen, aber wenn er mit einem Schlage vermögend werden konnte, mußte eben jeder sein Scherflein dazu beitragen. Das galt für Sim wie für Han, die ihm in letzter Zeit ohnehin auf die Nerven fiel, da sie dauernd unzufrieden war und sich immer wieder etwas Neues wünschte.
    »Zufrieden?« unterbrach der Malaie seine Gedanken.
    Yen-sun nickte und rieb sich die Hände. »Die Leute kaufen wahrhaftig jeden Mist.«
    »Was machen wir jetzt bloß mit Tie-tie und dem weißen Krokodil?«
    »Das flüchtet sowieso. Damit haben wir aber ja gerechnet, und unsere Tageskasse beweist, daß wir auch ohne Tie-tie auskommen. Von mir aus soll er sich einsperren, soviel er will.«
    »Mach jetzt keinen Fehler!« warnte ihn der Malaie. »Wenn Tie-tie sich überhaupt nicht zeigt, werden uns die Gäste den Prospekt unter die Nase halten und krakeelen: Where is the old man? Das Risiko können wir nicht eingehen. Sag ihm also, daß er sich zumindest bei jeder Ankunft hier unten aufhalten muß. War doch toll, wie die Leute in Stimmung kamen.«
    »Zugegeben«, erwiderte Yen-sun. »Ich befürchte nur, daß er es nicht machen wird. Die Fotos haben ihn in Rage gebracht.«
    »Rage hin, Rage her: Tie-tie hat zu erscheinen! Er ist unser ›Aufhänger‹. Du mußt ihm erklären, warum wir gezwungen sind, mit Tricks zu arbeiten. Sag ihm einfach, daß wir bereit sind, seinen Anteil von dreißig auf fünfzig Dollar zu erhöhen.«
    »Die wir niemals abschicken werden!« lachte Yen-sun.
    Der Malaie grinste. »Das ist unsere Sache und geht ihn nichts an.«
    »Okay, ich werde mit ihm reden. Aber jetzt wird es Zeit, die Gäste nach oben zu treiben, damit sie das Krokodil wenigstens kommen sehen. Wenn es dann nicht an Land geht, waren sie eben zu laut.«
    »Und wir haben dann die Möglichkeit, eine Stunde eher abzuhauen!«
    Yen-sun und der Malaie hatten richtig vermutet. Als die Kiellinie des weißen Krokodils sichtbar wurde, stießen die erwartungsvoll vor der Pagode harrenden Ausflügler so viele »Ahs« und »Ohs« aus, daß es kehrtmachte, noch bevor es das Ufer erreicht hatte. Glücklicherweise
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