Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weiße Krokodil

Das weiße Krokodil

Titel: Das weiße Krokodil
Autoren: C. C. Bergius
Vom Netzwerk:
schlug es dabei kräftig mit dem Schwanz, so daß das Wasser hoch aufspritzte, und die Hoffnung, gerade diese Szene mit der Kamera festgehalten zu haben, tröstete über die Enttäuschung hinweg, das sagenumwobene Krokodil nicht eine Weile beobachten zu können. Da es zudem erdrückend heiß geworden war und man schon wesentlich größere Pagoden gesehen hatte, begrüßte man den Vorschlag der ›Reiseleitung‹, zeitiger als beabsichtigt aufzubrechen und gemächlich nach Penang zurückzufahren.
    So stiegen denn alle befriedigt die Steintreppe hinab, die Tie-tie mit viel Mühe von Unkraut befreit hatte.
    Yen-sun, dem dies nicht aufgefallen war, eilte zur Pagode, um mit dem Mönch im besprochenen Sinne zu reden.
    »Warum hast du dich eingeschlossen?« rief er, als er vergeblich versucht hatte, die Tür zu Tie-ties Kammer zu öffnen.
    »Weil ich im Gebet wiederzufinden hoffe, was ich verloren habe«, antwortete Tie-tie mit sanfter Stimme.
    »Ich will dich nicht lange stören«, erwiderte Yen-sun. »Wir fahren jetzt ab, und ich muß dich vorher noch sprechen.«
    Tie-tie schob den Riegel zur Seite. »Das ist mir sehr lieb, da ich eine Bitte habe.«
    Yen-sun hob die Hände. »Verlange von mir, was du willst, aber verschone mich mit Belehrungen.«
    »Diesem Wunsche kann ich leicht entsprechen, da ich jemandem, den ich der Belehrung für unwürdig erachte, eben dadurch eine Belehrung erteile«, entgegnete Tie-tie gelassen.
    »Mit Phrasen kommen wir nicht weiter«, erboste sich Yen-sun. »Nenn mir also deine Bitte.«
    Tie-tie wies auf die im Hintergrund des Raumes hockende Henne. »›Tang‹ wurde von einem Raubtier gerissen. Bring ›Ting‹ zu deinen Kindern zurück und sage ihnen, daß ich ihr ein gleiches Schicksal ersparen möchte.«
    Yen-sun schaute einen Moment unschlüssig vor sich hin, erklärte dann jedoch mit aller Bestimmtheit: »Das kommt nicht in Frage. Die Henne bleibt hier! Und Ersatz für ›Tang‹ erhältst du in der nächsten Woche.«
    Tie-tie legte flehend die Hände gegeneinander. »Ich bitte dich, das nicht zu tun. Ich will keine Hühner mehr haben.«
    »Und ich kann deinen Wunsch nicht erfüllen, weil das Kuriosum der an der Leine geführten Hennen ein Bestandteil unserer Werbung ist«, ereiferte sich Yen-sun.
    »Und damit sind wir bei dem Thema angelangt, über das ich mit dir sprechen möchte. Ich gebe zu, daß unsere Fotos… Du verstehst schon, was ich meine. Wir haben sie aber nicht ausgewählt, um uns über dich lustig zu machen, sondern weil wir in einer Welt leben, in der Natürliches und Normales nicht mehr zieht. Man muß heute mit Tricks arbeiten, wenn man sich durchsetzen will, und du, deine Hühner, die Affen und das weiße Krokodil sind unsere Tricks. Pagoden gibt es überall. Mit einer, die im Dschungel steht, kann man die Menschen ebensowenig aus ihren Sesseln herauslocken wie mit einem braven Hausmütterchen, das man hinter einen Bartisch stellt. Attraktionen werden gebraucht. Deshalb wählten wir diese himmlische Pagode und…«
    »… einen alten Mönch, aus dem ihr – Trick, Trick – einen Narren machtet. Nun gut, das ist euch gelungen. In Zukunft werdet ihr die von euch erdachte komische Gestalt aber vergeblich suchen.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Daß ich mich jedesmal einschließen werde, wenn ich euch kommen höre. Und nun bitte ich dich nochmals, ›Ting‹ mitzunehmen.«
    »Ich denke nicht daran!« brauste Yen-sun auf. »Und das sage ich dir gleich: wenn du deine Drohung wahr machst und dich weigerst, unsere Gäste zumindest zu begrüßen, dann… dann… werden wir dir zeigen, daß wir die Stärkeren sind.«
    »Ihr wollt mich zwingen?«
    »Das liegt bei dir! Auf jeden Fall lassen wir uns unser mühsam aufgebautes Geschäft nicht ohne weiteres zerschlagen.«
    »Dafür habe ich Verständnis«, entgegnete Tie-tie beherrscht. »Und auf der Suche nach einer im beiderseitigen Interesse liegenden Lösung bin ich nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt, daß es das Beste ist, wenn ich mich völlig von der Außenwelt zurückziehe. Betrachte deshalb dieses Gespräch als das letzte, das ich mit dir führe.«
    Yen-sun wurde rot vor Zorn. »Ist das der Dank dafür, daß ich dich hierhergebracht habe? Nein, mein Lieber, so einfach geht das nicht! Ich habe dich mit allen lebensnotwendigen Dingen versorgt, und es ist bestimmt nicht zuviel verlangt, wenn du jetzt zum Ausgleich dafür hin und wieder die Rolle spielst, die wir dir zudenken mußten, um ins Geschäft
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher