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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
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einem überfüllten Parkplatz zehn Kniebeugen und zwanzig Mal den Hampelmann machen. Ein solcher Gedanke existiert nicht in der Seele einer aufgeblasenen Autonation. Auf der Straße hat der Deutsche allzeit fit zu sein.
    Billy bildete da eine Ausnahme. Er hatte grundsätzlich nie etwas gegen ein kleines Päuschen einzuwenden. Weder auf der Straße noch anderswo im Leben. Außerdem war er tatsächlich und extrem müde. Die letzte Nacht war lang gewesen, dafür daß es jetzt noch so früh war. Der Rasthof Würzburg kam ihm also gerade recht. Billy fuhr raus, tankte nach und ging zum Einkaufen. Der Shop der bft-Tankstelle war gut sortiert. Es gab eingeschweißte Käsebrötchen mit Essiggurke, Volvic in der handlichen 1-Literflasche , und selbst mit Schoka-Cola wartete das Sortiment auf, der weit unterschätzten Dosennahrung für den echten Fernfahrer, der allein man trauen kann, wenn man wach bleiben will, aber mauen Kaffee in braunen Plastikbechern tödlich findet und Red Bull noch tödlicher.
    »Das, die drei und eine Packung Gauloises Caporal«, sagte Billy und legte seine gesammelten Einkäufe auf den Tisch.
    Der Tankwart griff zielsicher ins Zigarettenregal und machte sich gleichgültig an die Abrechnung.
    »Alles?«
    Billy überlegte einen Augenblick und schaute sich um. Bis er die Überraschungseier sah. Sofort griff er zu. Mit geschlossenen Augen und ohne den Schütteltest zu machen. Den machte er übrigens nie. Dann legte er das Ei seiner Wahl dem Tankwart zum Einscannen vor die Nase und zahlte mit einem frischen Hunderter, der zusammengeknüllt in seiner Jeans steckte.
    Gut ausgerüstet für die restlichen Kilometer nach München ging er zu seinem Auto zurück und fuhr aus der Tankstelle heraus, um nur wenige Meter weiter vor einer Picknicksitzgruppe zu parken, die hemmungslose Menschen zum Verweilen einlud. Billy stand der Sinn jedoch nicht nach einem Imbiß im Freien. Er wollte lediglich aufs Klo. Nur wer vorausschauend pinkelt, kann vorausschauend fahren. Er schloß den Wagen ab, steckte sich eine seiner brandneuen Caporals an und trottete los in Richtung Toiletten.

Schokorakel.
    »Na super«, sagte Billy vor sich hin und war sichtlich angefressen. Er hatte ein Puzzle in seinem Überraschungsei. Nichts haßte er mehr. Der Spaßfaktor war gleich Null, die Motive verstießen gegen jeden Anstand, und nicht mal das Zusammenbauen stellte eine Herausforderung dar. Das schaffte selbst die blinde Meerkatze aus dem Tierversuchslabor von nebenan, der man im Namen des medizinischen Fortschritts gerade die linke Gehirnhälfte entnommen hatte.
    Aber sie durften halt nicht anders, die Jungs aus der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Ferrero. Freilich, am Anfang waren sie alle noch beseelt von der romantischen Vorstellung, es sich mit Stift und Papier, Bier und Tütchen inder Hängematte ihres Arbeitgebers gemütlich zu machen, und den ganzen Tag ausschließlich darüber zu sinnieren, mit welchem ultimativen Gadget man Kinderaugen zum Glänzen bringen kann. Doch kaum hatten diese Berufshippies ihre Blutsbruderschaft mit der sympathischen Schokofirma geschlossen, wurde diesen seltenen Kindern der Ökonomie ihre Illusion kaputtgemacht.
    Man mußte kein Diplomkaufmann sein wie Billy, um zu verstehen, auf welch perfidem Prinzip der immense Erfolg des Überraschungseis gründete. Jeder noch so blöde Kokainsüchtige zum Beispiel wußte, was da gespielt wurde. Es ging um die traurige Wahrheit der Abhängigkeit und darum, wie schamlos die armen Abhängigen ausgenutzt werden in unserer bösen, turbokapitalistischen Gesellschaft. Der Kokser kauft sein Koks, auch wenn die Post aus Kolumbien auf ihrer Reise ein paar Zwischenstops einlegt. Das nervt dann zwar enorm, aber was kann man schon machen? Dealer sind rar, und Sucht ist eben Sucht. Das wissen die Dealer natürlich genau und lassen den gemeinen Endverbraucher deshalb jede Menge Dreck schnupfen, bis er die Nase voll hat.
    Genau hier bestand für Billy aber nun der Zusammenhang. »In jedem siebten Ei steckt ein Happy Dingsbums drin«, verkündete die Werbemaschine von Ferrero großspurig über die medialen Kanäle der Verkäufe. Dabei verschwieg sie allerdings ein entscheidendes Detail. Um in den Genuß des einen Eis zu gelangen, das wirklich glücklich macht, muß man folglich erst einmal sechs andere Eier kaufen. Und so wie der Dealer sein Koks mit Speisestärke, Paracetamol oder gehackten Neonröhren streckt, um seinen Profit zu erhöhen, so streckte Ferrero seinen
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