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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
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aus der Sesamstraße.«

Diplomkaufmann.
    Horst und sein Omega waren schon wieder auf dem Weg, da stand Billy immer noch auf dem Randstreifen und steckte sich die nächste Zigarette an. First things first und nur nicht hudeln. Er war Automatik-Fahrer. Er fuhr nicht, er glitt.
    Eine halbe Kippe später setzte er seine Fahrt dann ebenfalls fort. Die Reise ging gut, im weiteren Verlauf unspektakulär und auch ein wenig langsam voran. Was nicht allein an ihm lag. Sein Mercedes W123 als 2, 4-Liter -Diesel war von der Idee her schon kein schnelles Auto, und jenseits der 120 nagelte er wie ein Preßlufthammer auf Speed. Da hätte selbst der Taube am Rasen keinen Spaß gehabt.
    Billy genoß die Fahrt durch die Republik. Das Wetter war bestens, und die Autobahn in Richtung Frankfurt hatte alles, was eine gute Autobahn für ihn ausmachte. Sie hatte Berg und Tal, wachhaltende Kurven und sie war dreispurig, so daß genügend Platz war für die Schnellen wie den Horst und die Langsamen wie ihn. Außerdem regte sie seine Phantasie an. Rechts und links säumten monströse Baustellen der Bahn AG ihren Lauf und kündigten so bereits die nahende Fertigstellung der neuen IC E-Trasse an. Und was sich da tat, das war schon toll.
    Hier entstand gerade eine perfekte Mobilitätsschneise mit Autos mittendrin, Hochgeschwindigkeitszügen drum herum und einem liberalisierten Luftraum oben drüber. Und schon bald würde Billy sein bisheriges Dasein abstreifen wie die Python ihre Haut und in die Business-Class der Terminjunkies wechseln, als ambitionierter Managertyp mit Palm und Handy, Meetings und Brainstormings, Firmenpassat und Freizeitgolf und den ganzen anderen heilbringenden Statussymbolen einer heillosen Karrierewelt. So sah es jedenfalls sein Plan vor, und er war meilenweit davon entfernt.
    Man sah ihm die sieben Jahre BW L-Studium an der Uni Köln und seine zwanghafte Aufbruchstimmung nicht geradean. Allein schon wie er da im Fauteuil seiner rottigen, völlig runtergerockten Karre kauerte, eingenebelt von bläulichen Rauchschwaden und mit diesem Vieh auf dem Dach, das aussah wie ein geklontes Industriehähnchen im Bratschlauch von Kalle. Wer wollte da schon glauben, daß hier ein junger Mann auf seinem Durchmarsch zum Olymp der Weltwirtschaft war? Selbst der ach so legeren New Economy hätten wohl die Argumente gefehlt für die Einstellung dieses Menschen, der sich Billy nannte, seit ein paar Tagen Diplomkaufmann schimpfte und jetzt nur noch einen Job brauchte, um zu beweisen, daß er auch tatsächlich einer war. Aber er wollte es ja nicht anders. Er hatte sich entschieden. Er wollte endlich einen Arsch in der Hose.

Hampelmann.
    Die Schilder entlang der Autobahn kündigten immer neue Orte an, der Tacho fraß gemütlich einen Kilometer nach dem anderen in sich hinein, und bald lag Frankfurt im Norden. Die A3 verlor ihre dritte Spur und ebenso begannen Billys Caporals auszugehen, so daß er beschloß, an einer Tanke für Nachschub zu sorgen. Während der kleinen Rast könnte er sich dann auch gleich ein wenig die Füße vertreten, so wie es die Plakate der Verkehrswacht eben verlangten. In unendlicher Zahl standen sie neben der Autobahn herum.
    Ob man nicht etwa müde sei, wurde man ständig vom Wegesrand her gefragt. »Sind sie pausen-los fit?« hieß ein besonders pfiffiger Slogan. Billy fand das rausgeschmissenes Geld, hatte der verantwortliche Texter doch eine entscheidende Kleinigkeit übersehen. Er hatte vergessen, daß der normale Autofahrer – insbesondere der männliche – alles wurde, nur nicht müde. Man wollte vorankommen als Autofahrer. Nicht mehr, aber bitteschön auch nicht weniger, und Müdigkeit war da ein Wort, das nicht vorkam. Tanken und Pinkeln, gut.Wenn es schnell ging und unbedingt sein mußte. Aber durch eine Pause den Schnitt versauen, weil man
müde
war? Entschuldigung?
    Denn selbst wenn man die Frage nach der Müdigkeit ausnahmsweise einmal mit »Jawohl, ich bin müde. Saumüde sogar!« beantwortet hätte, würde man als vernünftiger Autofahrer wirklich alles Erdenkliche tun, um wach zu bleiben. Man würde seine Anlage aufdrehen und zu Black Sabbath einen Liter Remy Martin mit Kaffee trinken. Man würde das Fenster herunterlassen und den Kopf in den Wind halten. Oder sich selbst befriedigen. Oder einfach schneller fahren. Alles geeignete Rezepte, um nicht einzuschlafen. Aber eines würde man eben auf gar keinen Fall tun. Man würde um Gottes willen keine Rast einlegen, dabei eine Frischmilch trinken und auf
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