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Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
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leisten könnte, sollte eine Grönländerin ermordet worden sein, die aus einem Milieu stammt, das ich überhaupt nicht kenne.«
    »Sie ist keine Grönländerin, sie ist Dänin. Und mit Blick auf die Rechtslage müssen Sie sich keine Gedanken machen. Sie können sich als Leiter der Ermittlungen betrachten, darauf läuft es ohnehin hinaus, da sind sich alle Seiten einig.«
    »Alle Seiten? Gibt es denn mehr als zwei?«
    »Drei. Wir haben hier drei Gruppen, aber die sind sich, wie gesagt, einig.«
    »Die Amerikaner?«
    »Ich dachte, Sie wollten warten, bis Sie sie gesehen haben.«
    »Stimmt, aber mit etwas Glück ist es bald so weit. Es sieht so aus, als wären die da bald fertig.«
    Konrad Simonsen holte wieder seine Zigaretten hervor, ohne das eigentlich zu wollen. Er dachte, dass er im Großen und Ganzen so lebte wie immer, da war nur dieses Selbstmitleid, das niemandem half. Er bekam ein schlechtes Gewissen und steckte die Packung wieder zurück in die Tasche. Kurz darauf kam eine Kriminaltechnikerin zu ihnen herüber. Sie war Dänin, ging unsicher und achtete auf jeden ihrer Schritte. Konrad Simonsen kannte sie nicht.
    »Ich bin gleich so weit. Wenn Sie wollen, können Sie Arne Pedersen wecken. Und passen Sie da drüben auf, es ist sehr glatt.«
    Sie zeigte zum Tatort hinüber. Trond Egede nickte freundlich, er würde schon vorsichtig sein. Konrad Simonsen dachte, dass es hier doch überall glatt war, und ignorierte sie.

[home]
    2
    D ie Frau im Eis kniete wie in einer Badewanne. Sie war halbnackt, trug nur einen Slip und ein dünnes Unterhemd, das vorne zerrissen und unter ihre nackten Brüste gezogen worden war. Ihre Knöchel waren mit Klebeband gefesselt, ihre Arme an den Handgelenken mit dem gleichen Band an ihre Oberschenkel geklebt. Ihre langen, schwarzen Haare hingen lose herab und reichten ihr bis zur Mitte des Rückens. Eine Plastiktüte war über den Kopf gezogen und am Hals zugeknotet worden. Der grotesk aufgerissene, lippenstiftrote Mund und die weit geöffneten Augen, die durch das Plastik zu erkennen waren, zeugten von einem grausamen Tod. Die Frau war athletisch gebaut und sicher nicht älter als fünfundzwanzig Jahre. In ihrem kalten Grab war Schmelzwasser zusammengelaufen, und nur ihre Knie und Füße waren noch am Eis festgefroren. Rechts neben ihr lagen ihre Kleider: Hose, Windjacke und eine kunstfertig gestrickte Wollmütze in blauen, violetten und grünen Farbtönen.
    Konrad Simonsen fühlte sich unwohl. Die drei Männer nahmen sich viel Zeit. Arne Pedersen und Konrad Simonsen bewegten sich langsam, den Blick auf die Tote gerichtet, deren Gesicht sich etwa in Höhe ihrer Füße befand. Der grönländische Kommissar blieb stehen. Es schien, als wollte keiner von ihnen die Stille stören, um die Konzentration des anderen nicht zu beeinträchtigen. Die Kriminaltechnikerin, die sich an Simonsen gewendet hatte, war wieder zurück, während ihre Kollegen sich im Flugzeug aufwärmten. Sie stand fröstelnd ein paar Schritte neben ihnen, bis sie ungeduldig wurde und fragte: »Brauchen Sie mich? Sonst würde ich gerne ins Flugzeug gehen und einen Kaffee trinken, bevor wir die Tote rausholen.«
    Die Frage richtete sich an Konrad Simonsen, aber er wirkte so abwesend, dass schließlich Arne Pedersen für ihn antwortete: »Dieses Grab, in dem sie hockt, ist das auf natürliche Art und Weise entstanden?«
    »Meine grönländischen Kollegen halten das für sehr unwahrscheinlich.«
    »Dann ist das also von einem Menschen ins Eis geschlagen worden?«
    »Davon gehen meine Kollegen aus, ja.«
    »Und warum ist das Grab geschmolzen?«
    Die Frau wurde unsicher.
    »Das weiß ich nicht, vielleicht die Klimaerwärmung?«
    »Aber warum hier, ausgerechnet hier, wo sie liegt?«
    Sie zuckte mit den Schultern, und Trond Egede antwortete für sie: »In der Gegend gibt es noch ein paar andere Schmelzwasserpfützen, auch wenn die sonst hier nicht so häufig sind. Die Eisdicke nimmt hier sogar wieder zu, während sie an den Küsten abnimmt. Es gibt keine eindeutige Erklärung dafür, warum sie in einer Schmelzwasserpfütze hockt, vielleicht ist das wirklich ein Zufall. Und was das ins Eis gehackte Grab angeht, so können Sie ruhig davon ausgehen, dass Ihr Kollege recht hat. Ich kenne den Mann, und wenn sich jemand mit Eis auskennt, dann er.«
    Die Kriminaltechnikerin nickte bestätigend: »Das stimmt.«
    Konrad Simonsen schickte sie zurück ins Flugzeug und ignorierte Arne Pedersens überraschten Blick ebenso wie seine
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