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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett
Autoren: Kathinka Wantula
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in die Gegenwart zurück.
    Ihre Gegenwart bedeutete Hamburg.
    Und demnächst New York.

60
    Die Sonne war bereits vor einer Stunde untergegangen, als Julius Reinhold an einem der großen Fenster seines Büros stand und auf das Mondlicht sah, das sich silbern auf dem dunklen Wasser der Außenalster widerspiegelte. Ein leises Klopfen war zu hören, und im nächsten Moment öffnete Karen die schwere Eichentür. Julius begrüßte sein Patenkind mit einem herzlichen Lächeln. Große Erleichterung war in seinem angespannten Gesicht zu erkennen.
    »Karen, meine Liebe! Komm herein.«
    Er umarmte sie und führte sie zu dem alten Ledersessel vor seinem Schreibtisch. Während er in seinem Lehnstuhl Platz nahm, warf er einen Blick auf ihre linke Schulter.
    »Wie geht es dir? Ich hoffe, du hast keine Schmerzen mehr.«
    »Nein, die Verletzung ist gut verheilt. Es zieht nur noch ab und zu, wenn ich etwas Schweres trage, aber sonst geht’s.«
    Julius atmete tief durch. »Das freut mich. Und wie sieht es mit dem Buch aus? Hast du etwas über Gerald Bernhardt herausfinden können?«
    Karen stützte die Arme auf den Schreibtisch und warf ihm einen prüfenden Blick zu.
    »Was weißt du wirklich über Prof. Bernhardt?«
    Julius griff mit aufreizender Gelassenheit nach seinem Skarabäus und strich sanft über den alten Alabaster.
    »Ich verstehe nicht genau, was du meinst. Über den Professor weiß ich nicht viel mehr, als in der Mappe steht, die ich dir mitgegeben habe. Ich hoffe, du konntest inzwischen mehr herausfinden, damit es ein gutes Buch wird.«
    »Mehr weißt du nicht über ihn?«
    »Nein.«
    Karen runzelte die Stirn. Sollte sie ihm das wirklich glauben?
    Julius bemerkte ihren inneren Kampf und lächelte zufrieden. »Ich denke, das Buch wird seine Aufgabe erfüllen.«
    Zweifellos, dachte Karen und sah in das freundliche, aber unnachgiebige Gesicht ihres Patenonkels. Sie machte einen weiteren Versuch, nahm ihre Halskette ab und legte sie auf den Schreibtisch.
    »Woher hast du diesen Maat-Anhänger, Julius?«
    »Warum fragst du?«
    Sie lehnte sich in ihren Sessel zurück. »Weil er echt ist.«
    »Aber das weiß ich doch, meine Liebe. Oder glaubst du, dass ich dir einen unechten Anhänger schenken würde?«
    »Das meine ich nicht. Er ist echt antik und ungefähr dreitausend Jahre alt.«
    Er nahm die Kette in die Hand. Ein Funkeln erschien in seinen Augen, als er sie durch seine Finger gleiten ließ. »Der Anhänger ist dreitausenddreihundertsiebzehn Jahre alt, wenn du es genau wissen willst. Hat er dir geholfen?«
    Karen sah ihn verblüfft an. »Du weißt, wie alt diese Kette ist?«
    »Ja.«
    »Du willst mir aber nicht sagen, woher du sie hast?«
    »Vielleicht ein anderes Mal.« Er reichte sie ihr zurück. »Sie gehört dir.«
    Sie nahm die Kette und legte sie sich wieder um den Hals.
    »Dasselbe hat auch ein Ägypter gesagt, der Michael und mir geholfen hat.«
    Julius musste lächeln. »Du siehst, die Maat verbindet Völker, Kontinente, Gegenwart und Vergangenheit. Wie sieht es mit der Monographie aus?«
    »Gut.« Sie tippte auf die blaue Aktenmappe auf dem Tisch, in dem sich auch das kleine Notizbuch des Assistenten befand. »Ich werde demnächst mit dem Manuskript beginnen. Willst du die Unterlagen vorher sichten, oder kann ich sie mitnehmen?«
    »Nimm sie ruhig mit. Ich werde dann das fertige Manuskript lesen.«
    »So wie immer?«
    »So wie immer.«
    Sie nahm die Mappe, ging zur Tür, zögerte einen Augenblick und drehte sich noch mal um.
    »Warum lässt du mich nicht mal eine Monographie über Rilke schreiben?«
    Julius sah sie erstaunt an. »Rainer Maria Rilke? Wie kommst du denn auf den?«
    »Ich bin während meiner Recherche auf ihn gestoßen. Der … Professor und der Assistent kannten ihn.«
    Julius musste unwillkürlich lächeln. »Und deswegen willst du ein Buch über ihn schreiben? Hast du denn etwas Neues über ihn herausgefunden?«
    Karen zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht. Aber ich mag ihn nun mal, und es würde mir Spaß machen, über ihn zu schreiben.«
    »Ich werde es mir überlegen, doch es gibt leider schon viele gute Monographien über ihn.«
    »Schade«, sagte sie nur und verließ das Zimmer.
    Julius Reinhold lehnte sich genüsslich in seinen Lehnstuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, als das Telefon klingelte. Es war Étienne Artois. Zunächst fragte er seinen alten Freund nach seiner Gesundheit und der Familie, dann kam er auf Karen zu sprechen.
    »Hat sie es geschafft,
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