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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett
Autoren: Kathinka Wantula
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Kairo aus dem Zimmer läufst, wie?
    Diesmal hätte ich nämlich echte Schwierigkeiten, dir zu folgen.« Er deutete mit dem Kopf zur Couch, gegen die eine Gehhilfe lehnte. Karen musste unwillkürlich lachen.
    »Nein, mein Held, ich renne dir nicht weg. Sag deinem Vater, dass ich sein Angebot annehme.«
    »Das wird ihn sehr freuen.«
    »Und seinen Sohn erst«, fügte Karen hinzu.
    »Den erst recht«, stimmte Mansfield zu und schob sie sanft zu einer Récamiere, wo Karen geschickt das Gleichgewicht verlor und rückwärts auf das weich gepolsterte Möbelstück sank. Mit einem missmutigen Blick musterte Mansfield die weiße Armbinde, die über ihrer linken Schulter hing. »Die stört doch nur, findest du nicht?«, sagte er und begann die Schnalle an ihrem Handgelenk zu öffnen, während Karen bewunderte, wie schnell er mit derlei Dingen kurzen Prozess machte.
    »Sie stört ungemein«, säuselte sie und griff nach seinem Baumwollpullover, um ihn ihm über den Kopf zu ziehen. Dabei kam sie an seine Wunde an der linken Seite, und er stöhnte kurz auf.
    »Vorsicht, Darling, nicht so schnell. Dein Held ist noch nicht wieder ganz fit.«
    »Noch ein Grund mehr, erst später nach New York zu fliegen«, flüsterte sie, während Mansfield sie mit einem Lächeln vom Gegenteil zu überzeugen begann.

57
    Am nächsten Morgen legte Karen ihre T-Shirts, Hosen, die Aktenmappen und Bernhardts Buch in den Koffer und griff nach ihrem lädierten Rucksack, in den sie ihren zerstochenen Baedeker, die Ramses-Zeitschrift und ihr Traumtagebuch packte. Als sie das Buch des Professors und das Traumtagebuch in der Hand hielt, hatte sie wieder das Bedürfnis, Michael von ihren merkwürdigen Empfindungen zu erzählen, aber sie traute sich immer noch nicht. Er würde sie wegen solcher Verrücktheiten nur auslachen und fragen, ob sie auch an den Weihnachtsmann glaube. Mit einer resignierten Handbewegung steckte sie die Bücher in den Rucksack und machte ihn zu.
    Mansfield stand einige Meter hinter ihr und schaute ihr beim Packen zu. Der Anblick schmerzte, aber es war ja nur für eine Woche. Er hoffte, dass das Schicksal diesmal gnädiger zu ihnen sein würde und sie sich gesund und munter in New York wieder sehen würden.
    Ja, so würde es sein. So Gott will.
    Mansfields Blick fiel auf ein kleines schwarzes Buch, das neben ihm auf dem Tisch lag. Er griff danach und besah es sich von allen Seiten, so wie er es gemacht hatte, als er das Buch zum ersten Mal in Händen hielt. Lescots Tagebuch. Das Moleskin fühlte sich gut an, aber gleichzeitig weckte es in ihm einen alten Schmerz. Mansfield fällte einen schweren Entschluss. Er konnte Karen nicht so gehen lassen. Sie mussten darüber sprechen, bevor sie nach Hamburg zurückflog. Er durfte nicht länger zögern.
    »Du hast noch mein Tagebuch vergessen, Karen«, sagte er.
    Sie fuhr herum und sah Mansfield mit Lescots Notizbuch in der Hand, das er ihr mit einem schmerzlichen Lächeln entgegenhielt.
    Karen schluckte, während ihr unsicherer Blick seinen traf. Jeder las im Gesicht des anderen. Hatte sie sich verhört? Hatte er wirklich »mein Tagebuch« gesagt? Sie konnte es nicht glauben.
    »Michael?«
    »Ja?«
    »Du … du weißt es?«
    »Ja«, antwortete Mansfield.
    »Woher? Von dem Fremden?«
    »Und von meiner Seele.«
    Stunden schienen zu vergehen, aber in Wirklichkeit waren es nur Sekunden. Dann löste sich Karens Erstarrung, und sie fiel Mansfield mit einem lauten Schluchzen in die Arme. Auch er hatte Tränen in den Augen, als er sie auffing und sie mit seinem gesunden rechten Arm an sich drückte.
    »Mein kleiner Professor«, murmelte er zärtlich und küsste ihr Haar.
    »Michael, ich …«
    »Sscht, ist schon gut. Alles ist gut«, flüsterte er und schob sie zur Couch, auf die sie sich fallen ließen und sich festhielten, als ob sie sich nie wieder trennen wollten. Nach einigen Minuten blickte sie zu ihm auf und sah in sein lächelndes Gesicht. Er griff nach ihrer Maat-Kette und küsste die kleine ägyptische Göttin. Dann hob er ein wenig den Kopf und küsste Karen, die ihm mehr bedeutete, als er sagen konnte.
    Nach all der Zeit hatten ihre Seelen sich wiedergefunden.
    Karen sah ihn glückselig an. »Seit wann hast du es gewusst?«
    »Gespürt habe ich es das erste Mal, als du mir mein Tagebuch gegeben hast.«
    »Ja, da war etwas … ich habe es auch gespürt. Du warst mir auf einmal so …«
    »Vertraut.«
    Sie nickte und spielte mit seiner Horus-Kette.
    »Und dann in Ägypten am Eingang des Grabes,
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