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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett
Autoren: Kathinka Wantula
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als du mit deiner Hand den Felsen berührt hast und ich meine Hand darauf gelegt habe. In dem Augenblick spürte ich eine wohlige Art von Unendlichkeit in mir …«
    »Unsterblichkeit.«
    »Ja, Unsterblichkeit, die mich tief berührte.«
    Karen nickte erneut. Auch sie hatte so empfunden. Es kam tief aus ihrem Inneren, aus der Tiefe ihrer Seele. »Es ging mir genauso. Aber Paris …« Ihr traten Tränen in die Augen, die sie schnell mit dem Handrücken wegwischte.
    »Du hattest überall Erinnerungen, nicht wahr?« Mansfield blickte in ihre wunderschönen Augen, die smaragdgrün schimmerten.
    »Nein, nicht Erinnerungen. Es waren Empfindungen, die ich nicht verstand. Erst als ich mit dem Fremden auf dem Dach war, hatte ich diese Rückblende. Vielleicht lag es an der Todesangst. Die Straße, Lescot, Bernhardt … Für einige Sekunden sah ich auf einmal diese Szene von damals vor mir.«
    Sie schüttelte sich und drückte sich noch fester an Mansfield, der merkte, wie sehr sie unter Bernhardts Schicksal litt. Auch ihm fiel es nicht leicht, an Lescot zu denken. Es war schmerzlich, denn der Professor und er waren im Streit auseinander gegangen.
    Plötzlich stieß sich Karen von ihm ab und stand auf. Sie ging zu ihrem Rucksack und holte eine durchsichtige Kunststoffhülle heraus, in der ein braunes Stück Papier lag. Sie reichte es Mansfield, dessen Blick schnell auf den Schreiber und auf den, an den der Brief gerichtet war, fiel. Es war der Brief von Prof. Bernhardt an Lescot.
    Mansfield hatte Schwierigkeiten, die verblichene braune Tinte zu lesen. Außerdem hatte das Papier überall Löcher, und die Ränder waren zerfressen. Manche Wörter fehlten, aber er konnte trotzdem verstehen, was Bernhardt geschrieben hatte. Er sah Karen ungläubig an. »Woher hast du ihn?«
    »Durel hat ihn mir gebracht. Der Brief war …«, es fiel ihr schwer, es auszusprechen, »… bei der Leiche des Professors. Er … ich … er hatte ihn in seiner Brieftasche.«
    Mansfield betrachtete das vergilbte Papier. Über hundert Jahre hatte es in der Erde gelegen … es war für ihn bestimmt gewesen … jetzt hatte er es in Händen.
    Er hob eine Augenbraue. »Bernhardt wollte Lescot rehabilitieren?«
    Karen nickte. Es war merkwürdig, aber sie spürte Schuldgefühle für etwas, das sie vor hundert Jahren begangen hatte.
    Mansfield schaute einige Sekunden auf das Blatt, dann warf er Karen einen finsteren Blick zu. »Findest du nicht, dass deine Entschuldigung ein bisschen zu spät kommt?«,
    sagte er, doch schon im nächsten Moment verzogen sich seine Mundwinkel zu einem verräterischen Grinsen, und in seinen Augen sprühten goldene Funken. Er zog Karen zu sich und küsste sie so sehnsüchtig, wie er es noch nie zuvor getan hatte.

58
    Sie waren etwas zu früh am Flughafen und hatten noch Zeit für einen Kaffee im Restaurant. Mansfield hielt Karens linke Hand, als er auf einmal stutzte.
    »Was ist denn das?« Er hatte eine Narbe unterhalb des Daumens entdeckt. »Noch ein Souvenir? Sag schon, Stockholm oder London?«
    »Weder noch. Es ist beim Brötchenaufschneiden passiert.«
    Er lächelte. »Ich glaube, du solltest nicht so viel verreisen.«
    »Warum?«, fragte sie. »Mein Arzt freut sich immer, wenn er eine Postkarte von mir bekommt.«
    »Sicher. Und hält dann gleich einen Termin für dich frei, um deine Souvenirs zu behandeln.« Er küsste ihre Narbe. »Sie ist gut verheilt.«
    Karen nickte und warf einen Blick auf seine Armbinde.
    »Wie geht es deiner Schulter?«
    Tatsächlich schmerzte sie bei jeder Bewegung, aber das wollte er nicht zugeben.
    »Es wird jeden Tag besser«, log er und versuchte dann schnell das Thema zu wechseln, indem er ein Päckchen aus einer Tüte holte.
    Karen hatte schon befürchtet, dass er ein Abschiedsgeschenk für sie hatte, als sie die Tüte sah, aber es hätte sie auch gewundert, wenn er sie einfach nur mit einem Kuss verabschiedet hätte.
    »Ich habe hier noch etwas für dich, aber du darfst es erst im Flugzeug oder in Hamburg öffnen.«
    Er reichte ihr das Geschenk, das knapp ein Kilo schwer war.
    »Du liebe Güte«, sagte Karen, als sie es entgegennahm. »Hast du eine Statue aus dem Louvre gestohlen, oder was ist da drin?«
    Mansfields Mundwinkel zuckten. »Wird nicht verraten. Es ist auf jeden Fall etwas, das du gebrauchen kannst.«
    »Ein Dior-Collier?«
    »Vielleicht das nächste Mal.« Er griff nach der Kaffeetasse, während seine Augen sie über den Rand hinweg anstrahlten.
    Karen legte das gold-blaue Päckchen
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